■ DOKUMENTATION: Essen aus dem Genlabor? Natürlich nicht!
Tomaten, die auch nach zwei Wochen noch knackig, frisch und rot aussehen. Kartoffeln, eßbar und Pestizide zugleich, Fleisch von künstlich vergrößerten Schweinen, Riesenkarpfen mit Forellen gemixt. Bier, gebraut mit neu geschaffenen Super- Hefen. Schnell reifender Billig-Käse. Die Gen-Ingenieure konstruieren unsere Nahrung um.
Viele der neuen Lebensmittel stehen bereits zum Sprung in die Regale und Kühltheken der Supermärkte. In Großbritannien ist eine neue Tomatensorte zugelassen, welche in den Genlaboren zweier US-Konzerne so verändert wurde, daß sie weit länger als üblich appetitlich, rot und schnittfest bleibt. Dort darf auch eine genmanipulierte Bäckerhefe frei verkauft und verwendet werden. Genlabor-Hefen für Bier und Wein sind einsatzbereit. Zumindest in den USA stammt ein Großteil des immer beliebter werdenden „Light“-Süßstoffs Aspartam von gen-gestylten Bakterien. Chymosin, Hauptwirkstoff des Labferments und bei fast allen Hartkäsesorten unentbehrlich, gewinnt die niederländische Firma Gist Brocades.
Wenn die Geningenieure immer wieder versichern, sowohl ihre Lebensmittel selbst als auch deren Herstellung seien völlig harmlos, dann gehen sie davon aus, daß sich Lebewesen wie Maschinen beherrschen lassen. Welche Eigenschaften ein genmanipulierter Organismus tatsächlich entfalten wird, welche Wechselwirkungen er mit anderen Organismen eingehen und welche Veränderungen im Ökosystem sich daraus ergeben können — das läßt sich allenfalls so zuverlässig voraussagen, wie das Wetter der nächsten Woche. Eine Ausnahme von der geplanten Regel hätte aber möglicherweise fatale Konsequenzen: Wieder einsammeln oder „entsorgen“ wie eine Chemikalie lassen sich die einmal außer Kontrolle geratenen Mikroben nicht. Im Gegenteil: Sie sind vermehrungsfähig und unsere natürlichen Feinde.
Über Lebensmittel gelangen genmanipulierte Organismen nicht nur in die Umwelt. Bei Salami oder Milcherzeugnissen werden die dabei verwendeten Genbakterien oder Teile von ihnen mitverzehrt und so im menschlichen Körpern freigesetzt. Dort treffen sie, besonders im Rachenraum und im Darm, auf eine Vielzahl lebenswichtiger Bakterien, mit denen sie Erbmaterial austauschen können. Mit Sicherheit ausschließen läßt sich jedenfalls nicht, daß dabei auch gefährliche oder giftige Stoffe entstehen. Selbst gegenüber der Gentechnik positiv eingestellte Wissenschaftler räumen ein, daß es derzeit keine wirklich zuverlässigen Prüfverfahren gibt, um alle möglichen Gesundheitsrisiken gentechnisch hergestellter Lebensmittel und Zusätze auszuschließen.
Geht es nach den Plänen der EG-Kommission in Brüssel, dann ist die Zulassung neuer Gen-Tech- Nahrungsmittel bald keine nationale Angelegenheit mehr. Die Eurokraten haben eine entsprechende Verordnung ausgearbeitet, die nach Verabschiedung durch den Ministerrat sofort und unmittelbar in allen EG-Ländern rechtsgültig sein wird. Der im EG-deutsch „Novel Food“ genannte Gesetzentwurf fällt sogar weit hinter das eigene Gesetz zur „Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen“ zurück: Nicht einmal die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Gen-Tech-Produkte ist vorgesehen; die Zulassung in einem EG- Land gilt automatisch für alle anderen. Und: Herkömmliche Lebensmittel und Zusätze, die von den Geningenieuren nur „nachgebaut“ werden, sind im Sinne des Gesetzentwurfs nicht „neu“ genug; sie brauchen erst gar nicht zugelassen werden.
Die lukrative Rechnung mit der Gentechnik hat jedoch eine unbekannte Größe — nämlich Sie, die VerbraucherInnen. Machen Sie Politik — mit dem Einkaufswagen. Setzen Sie Großmärkte und Handelsketten unter Druck, damit sie auf den Vertrieb von Lebensmitteln aus dem Genlabor verzichten. Fragen Sie Brauereien oder Molkereien, ob sie Gen-Tech-Forschung betreiben — und wozu. Auch Restaurants, Kneipen und Kantinen müssen offenlegen, ob sie Gen-Tech-Produkte anbieten. Fordern Sie die PolitikerInnen auf, daß sie die Kennzeichnung gentechnisch hergestellter Lebensmittel und Zusätze gesetzlich garantieren. Und denken Sie immer daran: Sie sitzen am längeren Hebel.
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