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Uneinigkeit im „serbischen Block“

■ Im Gegensatz zu Serbien ist Montenegro bereit, EG-Vermittlungsvorschläge anzunehmen/ Jugoslawischer Zoll verlegt Grenzen/ Unesco-Vertreter darf Dubrovnik besuchen

Belgrad (dpa/afp) — „Solange wir die Macht haben, denken wir mit dem eigenen Kopf". Mit diesen Worten wies der montenegrische Regierungschef Mila Djukanovic die serbische Kritik an dem neuen Kurs seiner Republik zurück. Da Montenegro im Gegensatz zu Serbien die jüngsten Vorschläge der EG zur Beilegung der „jugoslawischen Krise“ annehmen wird, zeichnen sich so erstmals Meinungsverschiedenheiten innerhalb des „serbischen Blockes“ ab. Die Überlegungen der EG, Jugoslawien in eine Freihandelszone von sechs souveränen Republiken umzuwandeln, bedürfen nach Ansicht des Regierungschefs jedoch einer Ergänzung. Demnach sollen die Siedlungsgebiete der serbischen Minderheiten in Kroatien und Bosnien entmilitarisiert werden.

Im Gegensatz zu den Vorstellungen Serbiens setzte Djukanovic sich für ein Verbleiben der Minderheiten in Kroatien und Bosnien ein. Belgrad will diese Gebiete abspalten und mit der „Mutterrepublik“ vereinigen.

Über die Ursachen der „Wende um 180 Grad“ gibt es die verschiedensten Spekulationen. Die angesehene Belgrader Zeitung 'Borba‘ nennt die Enttäuschung Montenegros über die serbischen Deserteure im Bürgerkrieg. Außerdem habe Serbiens Präsident Milosevic versucht, nur Montenegro als Angreifer Kroatiens darzustellen.

Nach anderen Informationen ist es in Montenegro über die zukünftige politische Linie zu einem Machtkampf gekommen. So trat der Vertreter dieser Republik bei der Haager Friedenskonferenz aus Protest gegen die Annahme der EG-Vorschläge durch seine Regierung von seinem Posten zurück.

Beeinflussen könnte die neue Haltung Montenegros auch die Beratungen des jugoslawischen Staatspräsidiums. Nach der serbischen Machtübernahme Anfang Oktober wollte das höchste Führungsgremium des Landes auf Anregung Mazedoniens und Bosniens am Dienstag erneut versuchen, in voller Besetzung zusammenzukommen. Weshalb schließlich dennoch lediglich die Vertreter des „serbischen Blocks“ nach Belgrad reisten, war unklar. Eine „Anerkennung“ der Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens vollzog unterdessen der jugoslawische Bundeszoll. Er beschloß innerhalb von zehn Tagen die Zollkontrolle aus dem Nordwesten in „sicherere Landesteile“ zu verlegen. Somit werden die bisherigen jugoslawischen Zollgrenzen zu Italien, Österreich und Ungarn aufgegeben. Die neue Grenze soll in den „autonomen“ serbischen Gebieten im Süden und Osten Kroatiens verlaufen.

Regierungsbildung in Kosovo

Die Oppositionsparteien in der mehrheitlich von Albanern bewohnten serbischen Provinz Kosovo haben die Bildung einer interimistischen Regierung bekanntgegeben. Sie soll von einer regulären Regierung abgelöst werden, sobald freie Wahlen stattgefunden haben.

Zum Ministerpräsidenten wurde Bujar Bukosi berufen. Er ist stellvertretender Vorsitzender der wichtigsten Partei der Kosovo-Albaner, der Demokratischen Allianz. Eine Volksabstimmung über die Autonomie Kosovos war bereits vorigen Monat von der serbischen Regierung verboten worden. Am Montag verbot sie auch eine für kommendes Wochenende geplante Volksabstimmung in der Region Sandzak, deren überwiegend muslimische Bevölkerung ebenfalls Autonomie fordert.

Nachdem Radio Zagreb die jugoslawische Armee wiederholt beschuldigt hatte, den historischen Kern Dubrovniks durch Artillerie beschädigt zu haben, soll jetzt die UNESCO diese Vorwürfe überprüfen. Die Bundesarmee, die die Adriastadt vor mehr als zwei Wochen von der Außenwelt abgeschnitten hat, ist bereit, einen Vertreter dieser UN- Organisation in die Stadt zu lassen.

Trotz dieser Entscheidung gingen in Dubrovnik — ebenso wie bei der seit Wochen belagerten ostslawonischen Stadt Vukovar — die Kämpfe auch am Dienstag weiter. In den anderen Kriegsgebieten wurde das Ende vergangenen Woche unterzeichnete — mittlerweile zehnte — Waffenstillstandsabkommen weitgehend eingehalten. her

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