Christopher Lauer spricht Klartext: Drei neue Gedanken

Ex-Politiker Christopher Lauer formuliert drei wichtige Punkte, die wir alle endlich verstehen müssen.

Bild: Karsten Thielker

Von CHRISTOPHER LAUER

1. Das 20. Jahrhundert ist endgültig vorbei

Haha, aber das weiß ich doch selbst, denken Sie wahrscheinlich, wenn Sie das hier lesen, aber ich muss es nochmal ganz deutlich sagen, das 20. Jahrhundert ist halt vorbei. Das bedeutet vor allem: Die Welt sieht nicht mehr so aus, wie Ihnen das mal irgendwann im letzten Jahrhundert/Jahrtausend in der Schule beigebracht wurde. Wenn sie überhaupt jemals so aussah.

Das bedeutet auch: Die Weltordnung, wie sie mal nach dem Zweiten Weltkrieg entstand und wie Sie sie vielleicht noch kennen, die ist jetzt wirklich wirklich weg. Gut, das hätte uns auch nach dem Fall der Mauer auffallen können, aber da hofften ja noch einige, dass der Kapitalismus jetzt alles richtet.

Vor dem Hintergrund sich verändernder Weltordnungen ist es besonders schade, dass wir uns so gar nicht dafür zu interessieren scheinen, was anderswo auf der Welt passiert, zum Beispiel in China. Insbesondere, wie sich China auf der Weltbühne verhält, bestens vernetzt auf mittlerweile allen Kontinenten. Aber, diese Beschäftigung findet wahrscheinlich auch deswegen nicht statt, weil wir dafür erst einmal anerkennen müssten, dass das 20. Jahrhundert und die Welt, wie wir sie kennen, nunmal vorbei ist.

Ein Teufelskreis.

Zuletzt: Das 20. Jahrhundert und seine Weltordnung kommt, vielleicht haben Sie es sich an dieser Stelle schon fast gedacht, nicht wieder, egal wie fest man mit dem Fuß auf dem Boden aufstampft.

Dieser Beitrag stammt aus taz FUTURZWEI N°10

2. Wir haben nur noch zehn Jahre

Es spricht viel dafür, dass die Menschheit nur noch ungefähr zehn Jahre hat, um die menschengemachte Klimakatastrophe und das größte Artensterben seit sechzig Millionen Jahren in halbwegs beherrschbare Bahnen zu lenken, damit Menschen, die heute geboren werden, im Jahr 2.100 einen für Menschen noch bewohnbaren Planeten vorfinden.

Natürlich kann man auch ohne globale Katastrophen jeden Tag oder nächste Woche sterben, man denkt halt nur nicht darüber nach. Und natürlich wird die Welt in zehn Jahren nicht aufgehört haben zu existieren. Aber die Welt, so wie wir sie kennen beziehungsweise kannten, die hört momentan jeden Tag tatsächlich ein wenig auf zu existieren. Und wir reden hier nicht nur darüber, dass Tierarten, die wir noch aus unserer Kindheit kannten, von uns endgültig ausgerottet worden sind, wir reden hier darüber, dass Länder und Gesellschaften kollabieren, weil das Gebiet auf dem sie sich befanden, für Menschen unbewohnbar geworden ist. Angesichts dessen, wie unsouverän Teile der europäischen Bevölkerung mit dem Zuzug von Geflüchteten umgehen, kann sich jeder überlegen, wie frei diese Menschen drehen werden, wenn nicht eine Millionen Menschen nach Europa ziehen wollen, sondern hundert Millionen.

Wenn man nur noch zehn Jahre hat, sollte man sich zumindest Gedanken darüber machen, wie man sie nutzt. Und die zwei Varianten, die es gibt, sind: Ich nutze die nächsten zehn Jahre dafür, das Gröbste abzuwenden oder ich nutze die nächsten zehn Jahre für nichts und mache weiter wie bisher. Die Entscheidung treffen Sie übrigens auch, wenn Sie sich durch das vermeintliche Nichtentscheiden dafür entscheiden, gar nichts zu tun.

3. Berlin muss bis 2030 CO2-frei werden

Wenn das 20. Jahrhundert endgültig vorbei ist und wir noch circa zehn Jahre haben, dann wäre doch ein Projekt für die Zeit, die uns bleibt, den CO2-Ausstoß Berlins bis zum Jahr 2030 auf so gut wie null zu reduzieren. Nicht den Shishi-Kram »wir pflanzen Bäume, die unsere Emissionen wieder speichern«, sondern ein richtiger Ausstieg aus dem Kohlendioxid.

Das bedeutet einen kompletten Umbau Berlins. Des Verkehrs. Weg vom individuellen PKW, hin zum solidarisch finanzierten ÖPNV für alle, zu einer Fahrradinfrastruktur, die diesen Namen verdient. Das bedeutet, dass Berlins Dächer mit Photovoltaik Strom erzeugen müssen. Dass bei der Erzeugung von Wärme und Kälte keine fossilen Brennstoffe mehr verbrannt werden dürfen. Die ganze Stadt muss energetisch saniert werden. Und es muss eine Infrastruktur errichtet werden, die auch einen möglichst CO2-freien Konsum erlaubt, insbesondere ohne Plastik.

Das wäre alles heute schon machbar, die Frage ist nur, ob es von der Politik auf den Weg gebracht und dann auch umgesetzt wird. Die Bürgerïnnen Berlins müssen sich selbst bewegen, falls die Politik sich nicht bewegen sollte. Entweder durch Volksbegehren oder durch Gründung einer neuen Partei. Aber, werden Sie jetzt fragen, was ist denn mit dem Rest der Welt? Nun, der schaut hoffentlich genau hin, wenn die Hauptstadt einer G8-Nation ein so ambitioniertes Ziel umsetzt.

CHRISTOPHER LAUER, Jahrgang 1984, ist Publizist und beendet gerade seinen Master in Wissenschafts- und Technikgeschichte zu Wernher von Braun. Zeitweise war er Spitzenpolitiker, Mitglied der Piratenpartei, sowie »der begnadetste Politiker seiner Generation« (Moritz von Uslar).

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