KOMMENTARE: Falschfahrer von links
■ Hartmann und das linke Wahrnehmungsproblem
Nichts, auch keine soziale Härte im Kita-Bereich, rechtfertigt es, sämtliche historischen Kategorien zu verlieren. Wer kundtut, er habe mit Bedacht von »Endlösung« gesprochen und zum Vergleich mit der »Wannseekonferenz« gegriffen, für den führt nichts an einem Rücktritt vorbei. Das sieht auch das Bündnis 90/ Grüne. Zu gut im Ohr ist noch die Rücktrittsforderung an den CDU-Abgeordneten Wruck, der befand, daß Kinder von hohen Nazis, »Nazibrut« seien, also nicht ins Parlament gehörten. Mit seiner Äußerung hat sich Stadtrat Hartmann auch als Politiker disqualifiziert. Ein solch holzschnittartig denkender Mann kann kaum mit dem politischen Gegner zu Kompromissen in der Sache fähig sein, ohne die ein demokratisches Gemeinwesen nicht funktioniert.
Aber Hartmanns unglaubliche Äußerung ist lediglich der Auswuchs einer politischen Kultur, die sich viel auf die eigene Geschichtsbewältigung zugute hält — ohne dies wirklich getan zu haben. Hartmann dokumentiert nur eine Geisteshaltung, die dazu neigt — und davon ist auch diese Zeitung oft nicht frei —, innenpolitische Vorgänge blitzschnell in scheinbar bewährte Raster von »fachistoid« einzuordnen, allerorten im Schnellschritt das Dritte Reich wieder marschieren zu sehen und bestätigt zu finden, was man eh seit vielen Jahren schon über dieses Land zu wissen glaubte. Auch dies hat zur gegenwärtigen Krise der Linken beigetragen. Ihre desolate Lage ist nicht nur dem Verlust von Überzeugungen geschuldet, sondern ist auch ein Wahrnehmungsproblem. Die undifferenzierte Sichtweise auf die politische Landschaft hat dazu beigetragen, ihnen den Weg nach Deutschland immer beschwerlicher zu machen. Die Bundesgrünen haben vorgemacht, wie aus Sehschwäche und der daraus resultierenden Politikunfähigkeit der Schiffbruch folgt. Gerd Nowakowski
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