Alle Fraktionen wollen mehr Professorinnen

■ Abgeordnete im Frauenausschuß unterstützen Anträge von Bündnis 90/Grüne, nach denen Humboldt-Berufungslisten wieder zurückgegeben werden müssen

Berlin. Gegen die Berufungspraxis von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt an der Humboldt-Universität (HUB) will jetzt auch das Parlament vorgehen. In der gestrigen Sitzung des Frauenausschusses einigten sich die Abgeordneten aller Fraktionen auf zwei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Grüne. Darin wird der Wissenschaftssenator aufgefordert, alle gegen das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) verstoßenden Berufungslisten an die HUB zurückzugeben. Der erste der beiden Anträge wird damit begründet, daß in den bisher existierenden sechs Berufungs- und Strukturkommissionen Frauen völlig unterrepräsentiert seien. In einem zweiten Antrag wird Erhardt aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß die jeweiligen Kommissionen entsprechend dem LADG paritätisch mit Frauen besetzt werden. Über beide Anträge, die bereits in der vorletzten Woche den Wissenschaftsausschuß des Abgeordnetehauses passiert hatten, soll in der Plenarsitzung am 14. November abgestimmt werden.

Hintergrund dieser Anträge ist die mehrfach in der taz dargestellte Berufungspraxis an der Humboldt-Universität, um die seit Monaten eine heftige Kontroverse geführt wird: Für insgesamt 47 Professuren in den »abgewickelten« Fächern Geschichte, Erziehungswissenschaft, Philosophie, Wirtschaftswissenschaft und Jura stehen auf den relevanten jeweiligen ersten drei Plätzen nur sechs Frauen, obwohl es sehr viel mehr Bewerbungen von qualifizierten Wissenschaftlerinnen gegeben hat. Bisher wurden bereits 24 Rufe erteilt, davon gehen nur zwei an Frauen — im typischen »Frauenfach« Erziehungswissenschaften. In den Berufungs- und Strukturkommissionen, die die jeweiligen Berufungslisten erarbeiten, sind Frauen ebenfalls unterrepräsentiert: Sie setzen sich jeweils aus drei West- und drei Ost-ProfessorInnen, einem Vertreter der Mittelbaus und der Studentenschaft zusammen. Auch in diesen Gremien sind Frauen nur mit einem Viertel vertreten. Laut LADG müssen sie paritätisch besetzt sein.

Trotz der eindeutigen Voten für die parlamentarischen Anträge ist derzeit noch nicht abzusehen, wie der Wissenschaftssenator reagieren wird. Zwar war er nebst seiner Staatssekretärin Steffie Schnoor zu der gestrigen Sitzung des Frauenausschusses dringlichst eingeladen worden, beide sagten jedoch wegen »auswärtiger Termine« ab. Anwesend war lediglich Verwaltungsmann Kempa, der sich nicht zu den politischen Konsequenzen äußern wollte. Für ihr Fernbleiben wurden die politisch Verantwortlichen von den Ausschußmitgliedern offiziell gerügt. Bis Redaktionsschluß war in der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung keine Stellungnahme zu erhalten. kd