: Verlassen von allen guten Geistern
■ Bayern München wurde im UEFA-Cup gegen Kopenhagen mit 2:6 geschlagen — Manager Hoeneß bekommt per Präsidiumsbeschluß einflußreiche „Hilfe“ von Beckenbauer und Rummenigge
Berlin (dpa/taz) — Was dem blau- weißen Fußballfan am Dienstag abend in Kopenhagen aus fußball- ästhetischer Sicht geboten wurde, war todtraurig. Der größte Schock jedoch kam anschließend: Uli Hoeneß, dem oberprofessionellen, chronisch überlegenen Manager des FC Bayern, fiel überhaupt nichts mehr ein. „Wir waren 45 Minuten lang außer Rand und Band. So kann es nicht weitergehen, aber ich weiß auch kein Patentrezept.“
Keines mehr, sollte er sagen, denn sein Patentrezept ging letztendlich nicht auf: Viele gekaufte Weltklassespieler werden zusammen mit erstklassigem Vereinsnachwuchs eine Weltklassemannschaft. Daß die großteils jungen Burschen auf Dauer neben der finanziellen auch eine emotionale Identifikation mit ihrem Club brauchen, vernachlässigte der nüchterne Geschäftsmann Hoeneß vielleicht zu lange. Der FC Bayern gefiel sich als ungeliebter Musterschüler der Liga, ein Sieg gegen die Münchner war das Maß aller Dinge, und jeder Liga-Underdog träumte davon, eine Lederhose im Trophäenschrank zu haben.
Das Hoeneß'sche Arroganz-Modell funktionierte zugegebenermaßen relativ lange — sie hatten Erfolg, der Erfolg schaffte mehr Selbstbewußtsein, was wiederum Erfolg garantierte — eine Art selffullfilling prophezy. Doch eine neue Mannschaft, die sich erst einfummeln muß, hat eben noch nicht das Standing eines Musterschülers, kann es nicht wegstecken, überall ausgepfiffen zu werden — schließlich macht der überstarke Erfolgsdruck dem leichtfüßigsten Dribbler einen schwerfälligen Stolperer.
Schwerfällig und vor allem kopflos ließen sich die Bayern in Dänemark demontieren. Der deutsche Rekordmeister wurde am Dienstag von BK 1903 Kopenhagen beim 2:6 gedemütigt. Über Chancen auf den Einzug ins UEFA-Pokal-Achtelfinale spricht ohnehin keiner mehr.
Die Chronik: Manniche (38./65.), Ivan Nielsen (57./Foulelfmeter), Wegner (62.), Kaus (78.) und Uldbjerg (89.) verwandelten die Überlegenheit der Dänen in Tore, nachdem Mazinho (33.) die hoffnungsvollen Bayern vor 14.000 Zuschauern im Stadion Gentofte in Führung gebracht hatte. Münch besorgte Sekunden vor Schluß nur noch eine Resultatsverbesserung für die Münchner, die in der dänischen Hauptstadt von allen guten Geistern verlassen wirkten und ihre höchste Europacup-Niederlage seit fast 19 Jahren (0:4 gegen Ajax Amsterdam) einsteckten.
„Die Spieler haben den FC Bayern in ganz Europa blamiert. Wir hätten auch neun Stück kriegen können“, meinte der sichtlich gezeichnete Trainer Lerby, der nach dem Führungstreffer noch glaubte, die Dänen im Griff zu haben. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, stammelte Mittelfeldregisseur Thon. Eine chaotische Abwehr hatte den dreifachen dänischen Meister regelrecht zum Toreschießen eingeladen, nur der Pfosten bewahrte das einstige Aushängeschild des deutschen Fußballs, von den Fans als „Micky- Maus-Truppe“ verspottet, vor einer noch schlimmeren Packung.
Nun hacken alle auf dem neuen Trainer Lerby herum. Der hatte mit dem überraschenden Einbau von Strunz und Münch für Labbadia und Schwabl versucht, an seiner früheren Wirkungsstätte dem Münchner Spiel mehr Schwung zu verleihen. Doch davon war wenig zu sehen. Bei den schnell vorgetragenen Attacken der Kopenhagener präsentierte sich die Bayern-Hintermannschaft als Torso und brach unter zunehmendem Druck schließlich völlig zusammen. Nach Foul von Grahammer an Michael Johansen verwandelte Ivan Nielsen (57.) den fälligen Elfmeter zum 2:1. Vier Minuten später vertändelte Strunz den Ball an der Strafraumgrenze, Wegner bedankte sich auf seine Weise mit dem dritten Tor, wobei er Hillringhaus das Leder durch die Beine schob. Weitere 180 Sekunden später kam Manniche gegen drei Bayern-Abwehrspieler ungehindert zum Kopfball — 4:1. Zum Schluß gönnte man auch Kaus (78.) und Uldbjerg (89.) ein Tor.
Die schmerzliche Demontage des legendären Vereins ruft nun den ansonsten eher zurückhaltenden Klub- Präsidenten Fritz Scherer auf den Plan: Er will auf der Generalversammlung am 25. November mit Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge nicht nur zwei als kompetent geltende Praktiker, sondern vor allem zwei echte Bayern-Legenden als Vizepräsidenten in den Klub zurück. Funktionäre also, mit denen sich der Klub, die Spieler und die Fans endlich wieder identifizieren können. Besser zumindest als mit einem anonymen Finanz-Unternehmen. Ob Uli Hoeneß diesen Machtverlust wegstecken wird, bleibt noch offen. Zwar verspricht Scherer, die Zuständigkeiten des Managers nicht zu beschneiden. Juristisch gesehen wären die ehrenamtlichen Vizepräsidenten dem angestellten Manager gegenüber weisungsbefugt. Einen Sitz im Beirat des Vereins hatten Beckenbauer und Rummenigge mit der Forderung nach Entscheidungskompetenz bereits abgelehnt. Will heißen: Sie wollen Macht. miß
Bayern München: Hillringhaus - Ziege - Kreuzer, Berthold, Grahammer - Strunz (62. Labbadia), Effenberg, Thon, Bender (46. Pflügler), Münch - Mazinho.
Tore: 0:1 Mazinho (33.), 1:1 Mannicke (38.), 2:1 Ivan Nielsen (57./Foulelfmeter), 3:1 Wegner (62.), 4:1 Mannicke (65.), 5:1 Kaus (78.), 6:1 Uldbjerg (89.), 6:2 Münch (90.).
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