Politische Verweigerung akzeptiert

Kriegsdienstverweigerer anerkannt, der sich ausschließlich auf politische Motive beruft  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) — Das Kreiswehrersatzamt in Köln traf eine einsame Entscheidung. Am 19. September stellte der dort ansässige Ausschuß für Kriegsdienstverweigerung fest: Der Totalverweigerer Volker Stache, wohnhaft in Jülich, ist berechtigt, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Das Besondere an diesem Verfahren: Im Gegensatz zur üblichen Praxis — immerhin durch höchstrichterliche Rechtsprechung abgesichert — akzeptierte der dreiköpfige Ausschuß eine Verweigerungsbegründung, die sich ausschließlich auf politische Motive beruft. Volker Stache hatte in seiner Begründung aufgeführt, der „Hauptgrund für meine Verweigerung des Kriegsdienstes (liegt) in der indirekten bzw. mittlerweile auch direkten Unterstützung des türkischen Regimes durch die beiderseitige Mitgliedschaft in der Nato“. Stache erinnerte an die Luftangriffe des Nato- Bündnispartners Türkei auf kurdische Dörfer im Norden Iraks, an die systematischen Menschenrechtsverletzungen gegenüber Oppositionellen und kritischen JournalistInnen wie auch an Massenerschießungen von Kurden durch die türkische Armee. Schriftlich erklärte Stache gegenüber den Ausschußmitgliedern, für ihn sei unerklärlich, warum weder die Nato, die UNO noch die KSZE in die Vorgänge in der Türkei eingreifen würden. Er vermute, daß „Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen oder übersehen werden, um den Einfluß auf eine strategisch wichtige geographische Region zu sichern“.

Des weiteren beanstandete der Antragsteller Stache, daß zum Zeitpunkt seiner Verweigerung deutsche Soldaten bereits im Rahmen der UNO „als Teil der internationalen Truppe zur Überwachung und Kontrolle der atomaren Anlagen in den Irak“ abkommandiert wurden. Für Stache ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz, das den Einsatz der Bundeswehr wenigstens bisher außerhalb des Nato-Territoriums verbietet. Die Konsequenz für Stache: „Ich bin grundsätzlich nicht mehr bereit, bei der Bundeswehr ... Dienst zu tun.“ Dies gelte auch für den sogenannten Ernstfall.

Der Verweigerungsausschuß mag sich seine Entscheidung leichtgemacht haben, da Volker Stache seinen Wehrdienst bereits von April 86 bis Juni 1987 in Elmshorst bei einer Panzerjägerkompanie abgeleistet hat und er somit erst nachträglich seine Kriegsdienstverweigerung beantragte — der Bescheid der Kölner Behörde hat aber insofern Bedeutung, als anderenorts politisch begründete Anträge prinzipiell zurückgewiesen werden. Der Bescheid des Kreiswehrersatzamtes in Köln (Registriernummer: Jül 209/91/65) ist jedenfalls rechtswirksam. Die Anfechtungsfrist endete am 10. Oktober.