: “Manche sagen sogar Nazi-Sau“
■ taz-Gespräch mit der Pressereferentin der Bremer DVU und NPD über ihren Weg zu den Rechtsradikalen
Bittte die ältere Frau
Immer Sehnsucht nach zuhause Foto: Tristan Vankann
Sie ist gelernte Nitrolackspritzerin und in Leipzig geboren. An ihrem Arbeitsplatz in einer Aluminium-Fabrik gerät sie als 28jährige mit dem SED-Regime in Konflikt. Der Vorwurf: Werksabotage. Wegen drohender Verhaftung läßt sie 1957 ihre vier Kinder zurück und setzt sich in den Westen ab. Heute ist Gerda Bosecke (64) aktives Mitglied und Pressereferentin der Bremer NPD und DVU. Bei einem taz- Gespräch in ihrer Wohnung erzählt sie, wie sie DVU-Mitglied wurde und was sie empfindet,
wenn man sie mit „Nazi-Schwein“ beschimpft.
taz: Frau Bosecke, Sie waren auch in der DDR politisch aktiv. Was war das für eine Arbeit?
Gerda Bosecke: Ich habe für verschiedene Zeitungen geschrieben und mich um die Leute am Arbeitsplatz gekümmert. Ich bin gelernte Nitrolackspritzerin und habe die Kameraden betreut, besonders SED'ler, damals hieß das natürlich Genossen.
Sie waren Parteimitglied?
Nein, ich war parteilos. Ich habe mich an das gehalten, was mein Vater gesagt hat. Der war gegen jede Partei, weil man dann nicht mehr den Kopf frei hat für eigene Entscheidungen. Aber ich habe mich immer gegen Unrecht gestellt, egal um wen es ging, das war meine politische Arbeit.
Wie standen sie zur SED?
Zuerst war ich begeistert, besonders als die Jugend der Welt zusammentraf, damals in Berlin und dann das Fahnenmeer. Das war ein sehr erhebendes Gefühl nach diesem fürchterlichen Krieg. Wenn man die Lehren Marx, Engels und Lenins richtig angewendet hätte, dann wäre der Sozialismus für alle Völker etwas Gutes gewesen. Aber Kontrolle von der Wiege bis zur Bahre, das ist Diktatur und sonst nichts.
Dagegen haben Sie protestiert?
Ich habe beanstandet, daß es kaum Unterschiede zum Nationalsozialismus gab, besonders als die Betriebskampftruppen eingeführt wurden. Ich bin nämlich eine Fast-Pazifistin. Auch gegen das hohe Arbeitstempo habe ich mich gewehrt, weil viele Menschen an den Maschinen vor Schwäche umgekippt sind.
Wie war die Reaktion?
Es ging andauernd über den Lautsprecher: Die Kollegin Bosecke ins Politbüro.
War das der Grund warum Sie sich 1957 abgesetzt haben?
Ja. Wenn man einen Menschen andauernd vom Arbeitsplatz wegholt, dann taucht ein gewisses Mißtrauen bei den Kollegen auf. Zum Schluß kam ich an eine neue Metallpräge-Maschine, die mußte eingefahren werden. Weil die Sicherheitsvorkehrungen sehr schlecht waren, haben wir Ausschuß produziert, aber vor Angst nichts gesagt. Dann kam der Stasi und beschuldigte mich der Werksabotage. Daraufhin hab ich eine Kehrtwendung gemacht. Meine Kinder mußte ich zurücklassen. Später wurde mir wegen illegaler Republikflucht das Erziehungsrecht entzogen und die vier Kinder über die ganze Republik verteilt. 34 Jahre durfte ich die DDR nicht betreten.
Was geschah mit ihrem Mann?
Darüber möchte ich nicht sprechen, das bleibt außen vor. Von Berlin kam ich nach Bremen. Ich habe überall Saisonarbeit gemacht, bin zur See gefahren, habe in der Holzverarbeitung, als Schneiderin, als Serviererin und Köchin gearbeit.
Wie haben Sie sich im Westen gefühlt?
Ich habe sehr gelitten, weil ich nichts von meinen Kindern gehört habe. Manchmal habe ich gedacht, ich halte das nicht mehr aus. Ich hatte immer Fluchtträume, habe fahrende Züge gesehen, die nicht aufhörten, ich kam im Traum einfach nicht über die Grenze. Ich habe die Trennung von zuhause und meinen Kindern sehr tief empfunden.
Wie kam es zum Eintritt in die NPD?
Durch das persönliche Leid meiner Familie, die Zerrissenheit meiner Kinder habe ich immer Sehnsucht nach Zuhause gehabt (fängt an zu weinen), 34 Jahre lang (schluchzt und reißt sich dann ruckartig zusammen). Und dann kamen plötzlich diese Briefsendungen von der DVU. Ich habe das Programm gelesen und stolperte sofort über das Wort 'Wiedervereinigung Deutschlands'. Dieses Wort hat mich dazu gebracht, einzutreten.
Von Wiedervereinigung haben auch andere Parteien gesprochen.
Nein das stimmt nicht. Die haben vielleicht davon geträumt, es aber nicht so direkt ausgesprochen, wie die DVU und die NPD.
Was meinen Sie mit Wiedervereinigung?
Die totale Wiedervereinigung, so wie ich sie verstehe, bedeutet, daß sich alle deutschstämmigen Menschen in der ganzen Welt zu Deutschland bekennen. Und, daß wir die alten Gebiete Ostpreußen und Schlesien wiederbekommen, die Grenze an der OderNeiße-Linie liegt. Was mich außerdem mit den DVU-Leuten verbindet, ist, daß wir uns nicht weiter verkaufen lassen wollen.
An wen verkaufen?
Man muß an das eigene Volk denken. Solange unsere Jugend durch Drogen kaputtgeht, Rentner mit Mindestrenten leben, oder die Menschen keine Wohnung haben, solange können wir anderen nicht helfen.
Ihre Partei propagiert Deutschland den Deutschen ...
... also das habe ich nicht gesagt..
...aber das steht im Programm Ihrer Partei...
...das schreiben die zwar, aber ob ich damit einverstanden bin ist eine zweite Frage.
Andererseits kümmern sie sich um Asylanten, haben sogar einen Iraner bei sich wohnen. Was sagt ihre Partei dazu?
Die finden das vollkommen normal. Wir sind ja keine Nationalsozialisten, wir sind Nationaldemokraten. Ich hatte in Hemelingen zwei Lokale, wo immer viele Türken verkehrten. Solange ich denken kann, hatte ich immer mit ausländischen Menschen zu tun, bin von von Türken und Tailändern eingeladen worden. Für mich ist das normal. Sie müssen unterscheiden zwischen Rechts und extrem Rechts.
Was ist der Unterschied zwischen Nazis und der DVUlern?
Die Nazis wollen Diktatur, bei sowas würde ich nicht mitmachen. Auch nicht, wenn Leute aus unserer Partei an Überfällen beteiligt wären.
Was halten Sie von den Linken?
Während des Golfkrieges und wenn gegen Atomwaffen protestiert wurde, bin ich mitmarschiert und habe mit den Kommunisten diskutiert. Zum Beispiel mit Joachim Barloschky (früher DKP, heute für Wohnumfeldverbesserung in Tenever zuständig d.Red.). Der ist auf sozialem Gebiet sehr tüchtig, ein richtiger Idealist. Wir haben über alles diskutiert über Stalinismus, DDR etc. aber uns nie beschimpft. Jetzt, nach dem Umbruch, sind wir beide der Meinung, daß das Volk in der DDR verführt wurde.
Wie fühlen Sie sich, wenn sie von Linken 'Nazi– genannt werden?
Mich verletzt das sehr. Manche sagen sogar Nazi-Sau, Nazi-Hure etc. ich sage ja auch nicht Kommunisten-Schwein.
Was halten Ihre ausländischen Freunde davon, daß Sie DVU- Mitglied sind?
Die Türken, die ja ihre Heimat sehr lieben, sagen zu mir: Gerda, du bist Patriotin und wir sind Patrioten. Die Türken sagen, wenn man ihr Land schlecht machen würde, würden sie auch zuschlagen. Fragen: Birgit Ziegenhagen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen