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Ideologische Scheuklappen-betr.: "Ein Park der Monumente im Osten Berlin", taz vom 5.10.91

Betr.: »Ein Park der Monumente im Osten Berlins«, taz vom 5.10.91

[...] Der Artikel von J.Pernkopf zeigt mit aller Deutlichkeit, wie arrogant und zynisch die »Sieger der Geschichte« mit den angeblich »Besiegten« umzugehen pflegen.

[...] Voller Überraschung über das Ausbleiben des »Volkszornes« gegen die Marx-/ Engels-/Lenin-/Thälmann-/ — und vielleicht auch noch Luxemburg(?) — und-so-weiter- Denkmäler in der Stadt fragt der Autor, ob dieses seltsame Volk »andere Sorgen zu haben scheint«. Ich kann ihm als Ostberliner versichern: es hat andere Sorgen, von denen die Bilderstürmer weiter östlich nicht so weit entfernt sind. Aber weiter im Text: »So hat die PDS von Friedrichshain... eingedenk ihrer ‘revolutionären‚ Vergangenheit, für den Erhalt der Lenin-Statue gestimmt«. Ach ja, so einfach ist das! Diese Alt-Stalinisten und Neo- Kommunisten in der PDS können gar nicht anders, als für Denkmäler des SED-Regimes zu stimmen. Volkes Seele kann wieder kochen und die »Reform-Linken« haben auch wieder recht. Dem Autor ist in seinen ideologischen Scheuklappen gar nicht aufgefallen, daß es nicht um das Lenin-Denkmal an sich geht, sondern um die Abwicklung, Vernichtung, ja den Abriß von jeglicher Identität der ehemaligen DDR-BürgerInnen. Vom Lenin-Denkmal zieht sich der Faden über die Straßenumbenennungen, den »heroischen« Grenzer-Prozeß, den »Palast der Republik« (welch Graus!) und so weiter und so fort.

Und natürlich ist für den Autor klar, daß jede Bekundung für einen Verbleib des »schändlichen Monuments« eine »unter zwielichtigen Begleitumständen zustande gekommene« Angelegenheit sein muß. Auf einer Einwohnerversammlung sollen doch tatsächlich 125 BürgerInnen für den Verbleib des Denkmals gestimmt haben. Was nicht sein kann, das nicht sein darf, und so folgert der »demokratischen Grundsätzen« verpflichtete Autor, daß »viele Einwohner von dieser Versammlung nichts gewußt haben... und es 500 Unterschriften gibt, die gegen die Beibehaltung des Platznamens und der Statue eintreten.«

Am Ende des Artikels schlägt der Autor vor, die gestürzten Denkmäler der »Alt-Männer-Herrschaft« (wann waren Marx und Engels eigentlich »Herrschaften«?) in die »sogenannten sowjetischen Ehrenmale« zu befördern, wo sie »als Denkmale einer untergehenden Weltsicht... gestutzt wären«. Das ist der Gipfel der Unverfrorenheit und der Anfang der modernen Barbarei. Diejenigen, die in den »sogenannten Ehrenmalen« begraben liegen, die Tausenden russischen, kasachischen, lettischen oder auch polnischen Soldaten, die für die Befreiung Berlins vom Nazi-Regime sterben mußten, sollen verhöhnt und verspottet werden, in dem der Autor ihnen die von den eigentlichen (?) »Siegern der Geschichte« abgerissenen Denkmäler auf ihre Gräber setzt. Welche Unverschämtheit muß man sich als Ost-Bürger eigentlich noch gefallen lassen?! Enrico Weigelt, Berlin-Pankow

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