Europaparlament lehnt Haushalt in erster Lesung ab

Straßburg/Berlin (taz/afp) — Ein „willkürliches Zusammenstreichen“ und „chaotisches Vorgehen“ habe der Rat als Haushaltsentwurf für das kommende Jahr vorgelegt, schimpften EuropaparlamentarierInnen verschiedenster politischer Couleur in dieser Woche in Straßburg. Der Rat will den Rotstift vor allem bei sozialen Projekten, bei der Umweltpolitik und bei der Entwicklungshilfe an die dritte Welt ansetzen. Das Ersparte soll Osteuropa zugute kommen. Die ParlamentarierInnen lehnten das Brüsseler Papier gestern in erster Lesung ab und konterten mit einem eigenen Entwurf: Sie wollen den Haushalt um rund 2 Milliarden Ecu auf insgesamt 64 Milliarden Ecu (rund 131 Milliarden DM) aufstocken. Mit dem zusätzlichen Geld sollen sowohl Osteuropa als auch die dritte Welt versorgt werden.

„Die Mittel für Osteuropa sind notwendig“, hatte der Sozialdemokrat Thomas von der Vring in der Debatte betont. Doch das dürfe nicht auf Kosten des Ausbaus der Gemeinschaft gehen. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt, kurz vor Vollendung der Politischen Union, dürften bereits etablierte Gemeinschaftsvorhaben nicht vernachlässigt werden.

Mit insgesamt 900 Änderungsanträgen rückten die ParlamentarierInnen dem Brüsseler Vorschlag zu Leibe. So wollen sie ein EG-Programm zum Schutz der tropischen Regenwälder, das der Rat in seinem Entwurf ganz gestrichen hat, mit 200 Millionen DM weiterfinanzieren. Auch eine mehrere hundert Millionen DM starke Reserve für humanitäre Hilfe in Katastrophenfällen will das Europaparlament im Gegensatz zum Rat beibehalten. Großzügiger zeigen sich die ParlamentarierInnen auch gegenüber der Sowjetunion: Sie veranschlagen statt 800 Millionen DM (Ratsvorschlag) 943 Millionen DM Hilfe für das kommende Jahr.

Im Vergleich zum Vorjahr sieht schon der Ratsentwurf einen um rund 11 Prozent gestiegenen Haushalt vor. Finanziert wird der Gemeinschaftshaushalt vor allem aus Zolleinnahmen auf Produkte, die aus „Drittländern“ in die Gemeinschaft kommen. Die Bundesrepublik hat rund 29 Prozent Anteil daran.

Im nächsten Schritt kann der Rat seinen Vorschlag überarbeiten, bevor das Europaparlament am 12. Dezember in zweiter — und gewöhnlich letzter — Lesung darüber entscheidet. Bislang veranschlagten die EuropaparlamentarierInnen in jedem Jahr mehr Geld für den EG-Haushalt als der aus VertreterInnen der Mitgliedsregierungen zusammengesetzte Rat. Am Ende kam noch immer ein Kompromiß heraus. dora