Schamir will Madrid im Sturm nehmen

Der israelische Ministerpräsident will die Delegation für die Nahost-Konferenz selbst anführen/ Außenminister Levi ausgebootet/ Vertreter der Rechtsparteien und Siedler in der Delegation/ Innerparteiliche Rivalitäten  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Es war eine regelrechte Ohrfeige für den israelischen Außenminister David Levi: Ministerpräsident Jizchak Schamir wird die Delegation nach Madrid selbst leiten. Außerdem sollen Vertreter der ultrarechten Parteien und der Siedler mit von der Partie sein. Mit dieser Entscheidung hat Schamir ein klares Signal gesetzt: Die Widerstände gegenüber inhaltlichen Kompromissen werden mindestens ebenso groß sein wie die unflexible Haltung Israels beim Aushandeln der Verfahrensfragen für den Friedensprozeß. Anders gesagt: die arabischen Staaten und die Palästinenser werden die harten israelischen Bedingungen akzeptieren oder den Verhandlungstisch verlassen müssen. Und falls die Konferenz in einem frühen Stadium zusammenbricht, beispielsweise im Zwist um eine palästinensische „Regelverletzung“, kann Schamir den Schwarzen Peter der Gegenseite zuschieben.

Mit seiner Entscheidung hat Schamir de facto die Regierung in eine Phalanx der Rechten und Ultrarechten verwandelt und die radikalen Siedlergruppen und Konferenzgegner politisch ausgebootet. Im nachhinein scheint sich ein Gerücht vom vergangenen Freitag zu bestätigen, demzufolge die Minister aus dem ultrarechten Spektrum nach einem Treffen mit Schamir von einem Austritt aus der Koalition Abstand genommen haben, weil ihnen Konzessionen in Aussicht gestellt wurden. Offenbar kannten sie zu diesem Zeitpunkt bereits die Absicht des Ministerpräsidenten, die Delegation für Madrid selbst anzuführen und sich der Unterstützung der Siedlerlobby zu versichern. So ist es nicht verwunderlich, daß diese Kreise bis in weite Teile des Likud-Blocks hinein der Entscheidung Schamirs freudig applaudierten. Seitens der Oppositionsparteien hieß es, Schamir habe sich für eine frühzeitige „Explosion“ in Madrid entschieden, um die Konferenz scheitern zu lassen: „Warten wir ab, wie Schamir als Leiter eines Teams von Elefanten die Porzellankonferenz zu Fall bringt“, meinte der Abgeordnete Jossi Sarid. Palästinenservertreter Faisal Al Husseini kommentierte knapp: „Das ist eine innerisraelische Entscheidung, aber die Entsendung eines Siedlers wäre eine regelrechte Provokation.“ Im Gespräch ist Israel Harel, der Herausgeber der Siedlerzeitschrift 'Nekuda‘.

Für Furore, auch unter seinen Anhängern im Likud-Block, sorgte die Tatsache, daß Außenminister David Levi, ein innerparteilicher Rivale Schamirs, in Madrid nicht mit von der Partie ist. Nach den Vorstellungen der USA und UdSSR sollte die Konferenz auf Außenministerebene stattfinden. Nachdem Schamir bekanntgab, selbst die Leitung zu übernehmen, verzichtete Levi auf eine Teilnahme. Israelische Medien schlossen gestern jedoch einen Kompromiß zwischen Schamir und Levi nicht aus. Die beiden Politiker hatten noch nie ein sonderlich harmonisches Verhältnis zueinander. Levi, der vor der Übernahme des Außenministeriums als Hardliner galt, hatte in den letzten anderthalb Jahren in der Frage des Friedensprozesses eine gemäßigtere Position bezogen als sein Chef — auch um sich gegen ihn zu profilieren. Ihm wird jetzt unter anderem vorgeworfen, sich gegenüber den USA zu kompromißbereit zu zeigen. In den letzten Tagen hatte daher der Druck auf Schamir innerhalb und außerhalb der Regierung zugenommen, Levi auszumanövrieren. Schamir selbst war außerdem unzufrieden mit der Art und Weise, wie Levi relativ gemäßigte Persönlichkeiten für das Madrider Team ausgewählt hatte, „als wenn er Likud-Mitglieder für den Vorstand eines israelischen Unternehmens bestimmt“. Ein leitender Beamter im Büro des Ministerpräsidenten nannte die Entscheidung denn auch eine „Antwort auf jüngste Manöver der Palästinenser hier und der PLO, die die USA lieber ignorieren“. Dementsprechend hat Schamirs Amt die US-Administration bereits aufgefordert, Schritte gegen die Palästinenser zu unternehmen, nachdem ein Delegierter, Sa'ed Erakat, in einem Interview erklärt hatte, bei den vierzehn palästinensischen Vertretern handele es sich um eine PLO-Delegation. „Wenn sich Schamir selbst betrügen will, kann ich ihm nicht helfen“, fügte Erakat hinzu.

Der einzige Mitarbeiter aus den Reihen des Außenministeriums, der in Madrid mit dabei sein wird, ist Levis Stellvertreter und ständiger Rivale Benjamin Nethanyahu. Auch bei der Besetzung der Delegationsleiter für die bilateralen Gespräche war das Außenministerium bereits umgangen worden. Kein Wunder, daß nun zwischen Levis Behörde und dem Amt des MInisterpräsidenten nun eine Art „Kriegszustand“ herrscht.

Mit seiner Entscheidung, die Leitung der Delegation selbst zu übernehmen, will Schamir gleichzeitig seine geschwächte Position in der Regierung und im Likud-Block stärken. Bauminister Ariel Scharon und Benjamin Begin, Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten, haben bereits angekündigt, gegen Schamir als Führer des Likud in den Ring zu steigen. Beide sind noch entschlossenere Hardliner als Schamir selbst. Auch Levi möchte sich für den Posten des Likud-Chefs bewerben. Letzendlich ist der Ministerpräsident bei seinem Vorgehen einer Empfehlung des ultrarechten Ministers Rehavom Zeevi nachgekommen. Zeevi hatte vorgeschlagen, Schamir selbst solle in Madrid die Leitung übernehmen und sich dort von Vertretern der Siedler „flankieren“ lassen. Angesichts dieser Umstände blieb dem Außenminister kaum etwas anderes übrig, als zu Hause zu bleiben. Im Lager Levis, der über eine starke Anhängerschaft unter den orientalischen Juden verfügt, ist nun die Rede von einer „Ausweisung Levis aus Spanien“. In Kreisen seiner Mitarbeiter hieß es, Levis Rückzieher sei Ergebnis seiner Überzeugung, daß Schamir „die Konferenz in Madrid nicht als Tor zum Frieden ansieht, sondern als Plattform, um den extremistischen Glauben der Ultrarechten zu verkünden“.