: Wochenende im fremden Land
Man mag in voller Kenntnis dessen, was man tut, schließen, daß ein gelegentliches Vergnügen den Schaden wert ist, den es der Leber zufügt. Denn Gesundheit ist nicht alles, worauf es ankommt: Freundschaft, Gastlichkeit und die gehobene Stimmung und die veränderte Auffassung, die man durch das Essen und Trinken in guter Gesellschaft erhält, sind auch wertvoll. Ich bezweifle, ob, alles in allem genommen, sogar totale Trunkenheit wirklich schadet, sofern sie selten ist — sagen wir zweimal im Jahr. Das ganze Erlebnis, mitsamt der anschließenden Reue, bewirkt eine Art Bruch in der eigenen geistigen Routine, vergleichbar mit einem Wochenende in einem fremden Land, was wahrscheinlich förderlich ist. Zu allen Zeiten haben die Menschen dies wahrgenommen. Es herrscht allgemeine Übereinstimmung, bis zurück zu den Tagen vor dem Alphabet, daß gewohnheitsmäßige Sauferei zwar schlecht, Geselligkeit jedoch gut ist, auch wenn man es manchmal am nächsten Morgen bereut. George Orwell, 1946
(Gerechtigkeit und Freiheit, Diogenes Verlag, Zürich, 1980)
Eine Fotoreportage aus Bremens fünfter Jahreszeit von Tristan Vankann.
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