: UNO: Irak testete Atomwaffen
New York (ap) —Irak war nach neuen Erkenntnissen von Experten der Vereinten Nationen mit seinem Kernwaffenprogramm schon ins Stadium praktischer Erprobung eingetreten. Ein Mitglied der mit dem Aufspüren und der Zerstörung von Massenvernichtungswaffen in Irak befaßten UNO-Kommission berichtete am Donnerstag in New York, die Iraker hätten bereits Versuchsexplosionen mit Bestandteilen von Kernwaffen vorgenommen.
Der französische Nuklearexperte Michel St. Mleux gab an, Irak wäre in der Lage gewesen, innerhalb von zwölf bis 15 Monaten „einen funktionsfähigen Kernsprengsatz“ herzustellen. Das logische Endprodukt des irakischen Kernwaffenprogramms, zu dem auch die Produktion von Lithium-6 gehörte, wäre die Wasserstoffbombe gewesen, sagte St. Mleux.
Aus irakischen Dokumenten, die im September von den Beauftragten der UNO und der Internationalen Atomenergieagentur (IAEO) beschlagnahmt wurden, geht hervor, daß die Iraker bereits Versuchsexplosionen mit sogenannten „Linsen“ vorgenommen hatten. Dabei handelt es sich um Hilfssprengsätze, die dazu dienen, die bei der Detonation eines Nuklearsprengsatzes freiwerdende ungeheure Energie in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die irakischen Kernwaffen wären mithin nach Expertenansicht wirkungsvoller gewesen als die amerikanischen Atombomben, die im Zweiten Weltkrieg auf Hiroschima und Nagasaki abgeworfen wurden.
St. Mleux sagte, offenbar habe Irak nur rund drei Kilogramm angereichertes Uran produziert gehabt. Dies sei zu wenig, um eine Atombombe daraus zu machen, erklärte er.
Chemiewaffenexperten erklärten am Donnerstag in New York, bei der irakischen C-Waffen-Produktion habe die Unfallrate das Hundertfache dessen betragen, was bei westlichen Mächten als noch akzeptabel gelte. „Sie nahmen einfach eine viel höhere Rate an Todesfällen und Verletzungen hin,“ sagte ein Experte, „viel, viel höher als das, was wir im Westen hinnehmen würden.“
Ein weiterer Experte berichtete, irakische Funktionäre hätten mitgeteilt, daß es pro Jahr etwa 100 „Zwischenfälle“, darunter jeweils etwa zehn „größere“, mit chemischen Waffen gegeben habe.
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