: Mit Misteltee und Vitamin A gegen Krebs?
■ „Biologische Krebsmittel haben die Hoffnungen bisher nicht erfüllt“ / Öffentliche Veranstaltung
Welche Teesorten können bei Krebs helfen, will eine Fragerin aus dem Publikum wissen. Rund 150 Betroffene, Interessierte und auch medizinische Fachkräfte waren am Samstag zu der öffentlichen Informationsveranstaltung am Rande des Bremer Krebskongresses gekommen, um über „Biologische Krebsabwehr in alter und neuer Sicht“ zu reden. Tee sei immer gut, beruhigte Prof. P. Schönhöfer die Fragerin, vor allem gegen den Durst, habe aber keine Heilwirkung gegen Krebs.
Schönhöfer war einer der Fachleute, die im Rahmen des Bremer Krebskongresses '91 in der Kunsthalle in kleinen Gruppen Fragen über biologische Krebsabwehr beantworteten. Außenseitermethoden der Krebsbehandlung lehnt Prof. Schönhöfer zwar nicht kategorisch ab, warnt jedoch: Was sehr teuer ist, entlarve sich oft als unwirksam. „Häufig ist das Bild vom Bemühen zum Verdienen hin verschoben.“
Prof. Dr. H. Rasche aus Bremen hatte davor zur Einführung einen Vortrag gehalten. Er erklärte den betroffenen Laien, wie biologische Krebsbekämpfung einsetzen kann: Der lebendige
hier die Grafik
mit den hohen Türmen
hineinkleben
Die Hauptschuldigen für Krebs sind gute Bekannte: fettreiche Nahrung und Zigaretten
Organismus kann sich gegen Schäden schützen — das ist eine altbekannte Tatsache. Genauere Kenntnisse über die Funktionsweise des körpereigenen Immunsystems gibt es seit etwa 10 bis 15 Jahren. Bestimmte Zellen und Strukturen bekommen im Körper von flüssigen, hormonähnlichen Botenstoffen die Information, daß der Abwehrkampf gegen fremde Einflüsse beginnen kann. Krankhafte Gewebe bei Krebs kann der Körper als „fremd“ identifizieren, die Abwehrreaktion reicht jedoch zur Tumorbekämpfung häufig nicht aus. An dieser Stelle sollen nun die „biologischen Mittel“ zur Krebsabwehr unterstützend wirken.
„Krebsdiäten“ haben dazu, so Prof. Rasche, nur einen geringen Stellenwert, eine „gesunde“ Ernährung, genügend Vitamine und Mineralstoffe, seien ausreichend. Beeinträchtigt wird die Abwehr durch zuviel Alkohol, Rauchen und Streß. Als neuere Erkenntnis gilt der Einfluß des psychisch-seelischen Zustands und der Lebensqualität auf die Abwehrkräfte gegen Krebs.
Biologische Krebsmedikamente werden eingesetzt, um die körpereigene Abwehr zu stärken. Seit 60-80 Jahren sind Mistelpräparate bekannt, seit einigen Jahren versucht auch die Schulmedizin, die wirksamen Substanzen der Mistel zu identifizieren und einzusetzen. Interferon, früher nur steinreichen Prominenten wie etwa dem Schah von Persien zugänglich, wird heute — dank der Gentechnologie — in großen Mengen hergestellt und angewendet. Aber Prof. Rasche mußte feststellen, daß der große Durchbruch bisher ausgeblieben sei.
Viele der Krebskranken fühlen sich dennoch bei der „alternativen“ Medizin in guten Händen. Das ergaben die Wortmeldungen in den Diskussionsgruppen. Aber fast alle Betroffenen, die auf der Veranstaltung in der Kunsthalle Rat suchten, berichteten, daß sie eine schulmedizinische Behandlung hinter sich gebracht hatten. Die sei freilich wirksamer als noch vor etwa 30 Jahren, beharrte Prof. Schönhöfer: 80 % der PatientInnen mit Lymphdrüsenkrebs könnten geheilt werden. Die Chemotherapie kenne zwar keine neuen Mittel, aber sie werde jetzt gezielt eingesetzt. Und wenn etwa ein Magenkarzinom auf Chemotherapie nicht anspricht? „Dann lassen wir's auch“, meinte Schönhöfer. Als Alternative gebe es die Operation und Bestrahlung.
Viele der Ratsuchenden, die zu der Diskussionsveranstaltung gekommen waren, berichteten von den widersprüchlichen Aussagen der behandelnden Ärzte. Prof. Schmidt, erster Vorsitzender des Landesverbandes Bremen der Deutschen Krebsgesellschaft, räumt vertrauensbildend diese Unsicherheit ein: „Wenn wir immer genau wüßten, was zu tun ist, wären wir heute nicht hier.“ Gabriele Heepen
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