piwik no script img

Lieber lesbisch lebensfroh

■ Siebente Berliner Lesbenwoche bietet vor allem Altbewährtes für junge Lesben

Mit der Lesbenwoche ist das wie mit der 'Bravo‘. Solange du jung und wißbegierig bist, ist sie das Größte, bist du erst einmal an Jahren und Erfahrung reicher, hast du für sie nur noch Spott und Hohn übrig. »Wir pendeln unsere Klitoris aus — Bringt Decken mit«, das war in der Vergangenheit das weitverbreitete Vorurteil über den maggi- kulturellen Gehalt der Youngster- Show in Kreuzberg.

Das siebte Mal hat die Berliner Lesbenwoche heute ihre Pforten geöffnet für eine herbstliche Woche reinster Lesbenkultur in garantiert heretofreier Frauenzone. Von den Berliner Stadtfrauen regelmäßig in Grund und Boden geschimpft und von den Landlesben der west-östlichen Diaspora heiß geliebt, präsentiert sie sich auch in diesem Jahr wieder als das, was sie schon immer war: Ein wild-chaotisches, aber ambitioniertes Sammelbecken für Lesbenkulturelles aller Schattierungen. Von der Dia-Show zur Klitoris bis zum Workshop Liebe auf den ersten Blick, von Sexualität und Magie bis zum Lesbischen Sex um die Jahrhundertwende ist so ziemlich alles vertreten, was Sie schon immer über lesbische Sexualität wissen wollten und nie zu fragen wagten. Daß der Themenschwerpunkt in diesen neuen, alten Zeiten politischen Rollbacks so zurückgezogen intim — und böse Zungen behaupten auch unpolitisch — ist, ist einmal mehr sichtbarer Ausdruck eines organisatorischen Dilemmas. Weil gerade unter den schon länger ansässigen und älteren Lesben der Stadt die Veranstaltung als substanzlos und unoriginell in Verruf geraten ist, wird die Organisation dieser homosexuellen Festtage jedes Jahr von anderen, meist frisch zugezogenen Landlesben ausgerichtet. Deren spezifisches Interesse setzt sich dann mit dem Recht der Tatkräftigen durch, reproduziert damit aber auch zwangsläufig die Fehler des Vorjahres. Eine konzeptionelle Debatte, die anläßlich der letzten, thematisch endlos ausgefransten Woche losgetreten wurde, förderte in diesem Jahr nach langen Diskussionen endlich zwei Themenschwerpunkte zu Tage: »Lesbenpolitik« und »Lesbischer Sex um die Jahrhundertwende«. Aber die Politfrauen, wohl nicht ganz so standfest wie die historisierende Konkurrenz, ging kurz vor den Herbstferien in die Knie und zog, aus welchen Gründen auch immer, ihren Programmpunkt »Politik« zurück. So bildet jetzt der Bereich »Sexualität« as usual den einzigen Schwerpunkt und grenzt wegen seines Back-to-the-roots-Charakters auch noch die brisanteren Themen der Vorjahre, wie SM oder Porno, konfliktscheu aus. Programmatische Lücken, wie sie sich im übrig bleibenden organisatorischen Chaos von Raumsuche, Knetebettelei und Personalmangel unweigerlich auftun, werden — auch das ist nichts Neues — eilfertig von den inzwischen zur Institution avancierten Frauenprojekten der Stadt geschlossen. Das FFGZ debattiert über Kinderwunsch, die Kulmerstraße lädt zum Junglesbentreff. Wildwasser bietet einen Gesprächskreis und Beratung an, in Kreuzberg wird wieder einmal eifrig und voll Lust Volleyball gespielt und das Lesbenreferat zieht sich auf Altbewährtes zurück, zeigt wiederum eine hochkarätige und internationale Filmwoche. Die kommerziellen Häuser wie Begine oder KOB sorgen geschäftstüchtig für das notwendige Catering und rühren fleißig die Werbetrommel für ihre eigenen Veranstaltungen, fühlen sich aber ansonsten der Lesbenwoche nicht weiter verpflichtet. Das drückt sich unter anderem darin aus, daß das Programmheft in diesem Jahr schlechter zu bekommen ist als ein Pornoheftchen. Das Faltblatt schönt das hauseigene Programm- Manko der Lesbenwoche als Freiraum für Spontanveranstaltungen, und weil bei Indrucklegung noch nichts Genaues feststand, schwebt über allem ein mystischer Infotisch, an dem frau dann erfährt, was sonst noch so alles stattfindet. Oder auch nicht.

Den aus allen Teilen der Republik anreisenden, meist westlich sozialisierten Feminismus-Touristinnen aus Hambach, Hagen oder Hohenlohe ist's allemal recht, denn sie können im Rahmen der Lesbenwoche sich endlich einmal im Schatten einer an alles gewöhnten Großstadt ungeniert mit ihrer Liebsten zeigen und eine schulfreie Woche lang nach Herzenslust cruisen. Die gebotenen Veranstaltungen sind angesichts der Verlockungen Berlins häufig genug zweitrangig, und überhaupt kann mit der sich alle Jahre erneuernden, stets jungen Zielgruppe selbst das älteste Thema unmöglich alt werden.

Auf der Strecke bleiben bisher diejenigen Lesben um die dreißig (und älter), die inzwischen den Lesben-Button gegen die goldene Kravattenspange eintauschten und, in Lohn und Brot stehend, den Kontakt zur Szene etwas verloren haben. Daß für sie, die sie sich im zweierbezogenen Trott nach wegweisenden Diskussionen und Anregungen sehnen, keine Angebote gemacht werden, zeigt sich nicht zuletzt an der Tatsache, daß die Lesbenwoche keine Wochenendveranstaltungen zu bieten hat, sondern Montag bis Freitag zwischen 11 und 20 Uhr offensichtlich allein auf die studentischen Ferientouristinnen ausgerichtet ist. Trotzdem bleibt es schade, daß von seiten alter Aktivistinnen so wenig Initiative für ein Projekt aufgebracht wird, dessen grundsätzliche Bedeutung ja niemand bestreitet. Als letzten Versuch, Ideen, Wünsche und vor allem Personal langfristig zu bündeln, ist dieser Tage ein Verein in Gründung begriffen, der für die Lesbenwoche »eine Struktur schaffen soll, die eine gewisse Kontinuität, wenn schon nicht gewährleistet, dann doch mindestens möglich macht«. Die Lesbenwoche ist mit diesem verzweifelten Schritt allerdings, wie viele andere Frauenprojekte auch, endgültig auf dem Weg zur Institution. Mit ABM-Kräften und in Hoffnung auf Senatsknete, dominieren dann alsbald die liberal(t)en Orga-Damen mit Verhandlungsgeschick das Geschehen, und es läßt sich leicht ausmalen, wann die Debatte über schräge Inhalte und wegweisende Diskussionen von der anderen Seite geführt werden wird. Vielleicht ist es doch gar nicht so schlecht, es bei der Lesben-'Bravo‘ zu belassen. Immerhin muß ich ja dieses Jahr auf keiner Veranstaltung mehr Decken mitbringen. Auch das ist eine Form von Fortschritt. Klaudia Brunst

Die >Homo Promo< Filmreihe mit lesbischen und schwulen Hollywood- und Mainstream-Produktionen im Filmhaus Babylon zeigt vom 20. bis 30.11. Trailer für Filme mit lesbischer oder schwuler Thematik und eine Auswahl der angekündigten Filme, wie z.B. >Lianna<,>Begierde<,>Kamikaze Hearts<,>Anders als du und ich<. Wir="" werden="" darüber="" noch="" ausführlich="" berichten.<="" strong="">

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen