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SCHAUT AUF DIESE S-KLASSE Von Mathias Bröckers

Weil die neue S-Klasse von Daimler-Benz zu breit geraten ist, rüstet die Bundesbahn sämtliche Autoreisezüge um. Um den übermotorisierten Umweltskandal mitfahren zu lassen, muß die Spur auf den Waggons um 15 Zentimeter verbreitert werden — die Kosten der Umrüstung werden auf eine Million Mark beziffert. Wie man die Bundesbahn kennt, wird es letztlich doppelt so teuer — aber selbst wenn es nur die Hälfte kosten würde, bliebe es ein schlechter Witz.

Wenn demnächst ein Auto-Dealer auf die Idee kommt, sechs Meter lange Mega-Limousinen auf den Markt zu werfen, müßten die Kommunen dazu übergehen, die Parkplatzmarkierungen um zwei Meter zu verlängern — weil sie auf die Parkgroschen der Limousinen-Fahrer scharf sind. So jedenfalls funktioniert die Logik der Bahn: Weil man auf die Fahrkarten der S-Klasse-Besitzer scharf ist, baut man die ganze Flotte um. Nun wird die Bahn ja nicht mehr von einem Parteibeamten, sondern neuerdings von einem Unternehmer geführt, und so darf gefragt werden, wann sich denn je die Millionen für den Umbau der Züge amortisieren sollen. Glaubt man bei der Bahn im Ernst, daß sich die S-Klasse- Fahrer ihren 100.000 Mark teuren Fetisch gekauft haben, um damit nur im Stadtverkehr rumzugurken, sich aber auf Langstrecken per Huckepack von der Bahn fahren lassen? Im Hause Daimler-Benz weist man pikiert darauf hin, daß es keineswegs nur die S-Klasse sei, die den Umbau nötig mache, es sei, so ein Sprecher, schon fast peinlich, wie versucht werde, das „neue Spitzenmodell“ der deutschen Automobilindustrie „zu verunglimpfen“. Tatsächlich geht die Bahn davon aus, daß BMW und andere bald ebenfalls überbreite Schlachtschiffe für ego-schwache Geldsäcke auf den Markt bringen werden.

Was nun die von Daimler gerügte „Verunglimpfung“ des neuen „Spitzenmodells“ angeht, so kann diese gar nicht ätzend genug ausfallen. Wer angesichts der Klima- und Energiekrise übergroße Autos mit 300 PS baut, für den ist noch die ätzendste Verunglimpfung zu harmlos — abgrundtiefe Verachtung ist das mindeste, was man dieser Ausgeburt von Ingenieurswahn und Klimakillerinstinkt entgegenzubringen hat. Denn der S-Klassen-Wahnsinn hat Methode. Welche, das offenbarte Edzard Reuter vergangenen Donnerstag: Der Bau des „Jäger 90“ — eine Art S-Klasse der Luftwaffenjets, Entwicklungskosten sechs Milliarden Mark — ist für den Daimler-Vorstandschef eine Frage der Vernunft: „Noch ist mein Glaube an die Vernunft ungebrochen“, so Reuter vor Journalisten. Was ist das für eine Vernunft, an die der Vorsitzende des mächtigsten Industrieimperiums glaubt? Es ist die Vernunft der S-Klasse, der zwei Tonnen Stahl und Kunststoff mit der Kraft von 300 Pferden, um vier Brötchen vom Bäcker nach Hause zu transportieren. Oder Herrchen samt Aktentasche ins Büro bzw. Frauchen zum Friseur um die Ecke. Es ist die reine Idiotie, der rigorose Schwachsinn, die rasende Unvernunft — und der Real-Vernünftler Reuter ist ihr deutsches Spitzenmodell.

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