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Sie hätte lesen sollen, worüber sie schreibt...-betr.: "Auf der Spur von Betty M.", taz vom 21.10.91

betr.: „Auf der Spur von Betty M.“, taz vom 21.10.91

Da findet im Ruhrgebiet mit großem Pomp ein sogenanntes iranisches Kulturfestival statt, das vom Thyssen-Konzern gesponsert und von der Regierung mit Wohlwollen bedacht wird, nur um eines der grausamsten Regime der Gegenwart wieder salonfähig zu machen. Da reagieren Politiker, die ständig das Wort Menschenrechte auf den Lippen führen und sich neuerdings sogar zum Recht auf Einmischung bekennen, nur mit einem Achselzucken, wenn von brutalen Menschenrechtsverletzungen die Rede ist, die nicht nur im Iran, sondern auch zum Beispiel im Sudan, Pakistan oder Nigeria im Namen des Islam geschehen, weil sie kein Interesse haben, die dortigen Regime an den Pranger zu stellen.

Da gibt es massiven politischen Druck, ein Land wieder zur Buchmesse zuzulassen, das sich unliebsamer Autoren nach wie vor mit der Endlösung entledigen will.

Da werden arabische Gewaltherrscher bedenkenlos hochgerüstet, weil sie schließlich über die nötigen Devisen verfügen, und da tritt eine Beate Hinrichs in der taz gleichzeitig die vom besonders unbedarften Teil der Linken seit einiger Zeit verfochtene These breit, der Islam werde als neues Feindbild aufgebaut. Beweis für den Unfug: die Geschichte einer Amerikanerin, der in einer islamischen Republik brutale Gewalt widerfährt und deren Geschichte — hollywoodmäßig aufgepäppelt — nach der Flucht zum Bestseller wird. Daß es bei der Geschichte, abgesehen von dem peinlichen Drumherum, letztlich um das Selbstbestimmungsrecht und Gewalt gegen Frauen geht, hat die Linke doch weitgehend verdrängt. Wäre Betty Mahmoody zum Beispiel eine Filipina und ihr Mann ein Deutscher, reagierte die hiesige Linke auf denselben Fall völlig anders.

Wenn 'Emma‘ darauf aufmerksam macht, finde ich das durchaus sinnvoll und für den dort erhobenen Vorwurf, es gebe eine Hatz auf Betty Mahmoodiy werden nicht nur einige Anti-Mahmoody-Bücher zitiert (unter denen zumindest das von Arki meines Wissens eine sechsstellige Auflage erreicht hat). 'Emma‘ zitiert immerhin auch einflußreiche Medien wie Spiegel TV, den WDR und große Regionalzeitungen, die grundsätzlich Betty Mahmoodys Geschichte in Frage stellen.

Insofern kann ich Beate Hinrichs Kritik zumindest in einem Punkt zustimmen: Sie hätte lesen sollen, worüber sie schreibt... Klemens Ludwig, Tübingen

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