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Polens Gesellschaft wählte die Polarisierung

Obwohl Mazowieckis Partei die meisten Stimmen erhielt, kann er auf der Oppositionsbank landen  ■ Aus Warschau K. Bachmann

Polens Wähler sind immer für Überraschungen gut. Doch selbst wenn Beobachter und Politiker am Tag danach staunend das Parteienchaos betrachten, das Polens Wähler ins Parlament geschickt haben: Das Wahlergebnis ist dennoch eindeutig ausgefallen. Die Wahl vom Sonntag ist eine klare Absage der Mehrheit der Bevölkerung an die bisherige Wirtschaftspolitik. Nur die Demokratische Union und die Liberalen bekamen keine vollständige Abfuhr: Aber sie haben trotzdem weniger als ein Viertel der Wähler hinter sich. Jene Parteien, die gegen Balcerowiczs Programm Sturm liefen, haben nun zusammen die Mehrheit. Das ist nicht die einzige Linie, an der sich Polens Gesellschaft polarisiert hat: Kritik an der katholischen Kirche ist für die Mehrheit kein entscheidendes Wahlkriterium gewesen; folglich haben kirchennahe und ausgesprochen klerikale Gruppierungen mit die größten Erfolge verbuchen können. Und den letzten Trennungsstrich haben die Wähler zwischen denen gezogen, die mit der kommunistischen Vergangenheit radikal brechen wollen, und denen, die ihr nachtrauern. Schon jetzt laufen Sondierungen für eine Mitte- Rechts-Koalition, aufgebaut auf den Grundpfeilern der Zentrumsbewegung, der Katholischen Wahlaktion, Bauerngruppierungen und Christdemokraten. Sie vereint der Hang zu einer Lockerung der Finanzpolitik, ein positives Verhältnis zur Kirche und der Wille, mit der Vergangenheit abzurechnen. Das Gegenstück, eine Mitte-Links-Koalition aus Zentristen, Demokratischer Union, Liberalen und Solidarność, dürfte scheitern, da sie ohne die Kommunisten nicht über die 50-Prozent- Marke kommt. Dann müßte Mazowiecki, obwohl eindeutiger Sieger, trotzdem in die Opposition gehen.

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