: Im Bart steckt Weisheit und Männlichkeit
■ Einige Momente aus der wechselhaften Geschichte des männlichen Bartes— Zweck und Symbol
Beim Barte des Propheten... Die Männer sahen in diesem schon seit Urzeiten den Hort ihrer Weisheit oder das Symbol männlicher Macht und revolutionären Aufbegehrens. Benutzten ihn allerdings auch zu so profanen Dingen wie Wärmeschutz, Serviette oder zum Durchseihen von Getränken.
„Gott möge dir den Bart ausreißen“, war ein vernichtender Fluch der Beduinen. Den Israeliten verbot das mosaische Gesetzt die Rasur. Daß ohne Bart niemand ins Himmelreich komme, erklärten die Patriarchen der Ostkirche im 16. Jahrhundert. Andere hingegen opferten ihr abgeschnittenes Haar den Göttern, oder es wurde verbrannt oder beerdigt. Auf jeden Fall durfte es nicht weggeworfen werden, da es mit der Persönlichkeit des Mannes gesättigt war. Achtlos fortgeworfen, könnten sich die Feinde seiner bemächtigen und es zu magischen Zwecken gebrauchen. Samson ist ein beredtes Beispiel. Dementsprechend wurde geschlagenen Feinden, Sklaven und Knechten kurzerhand der Bart abgenommen. In Bayern waren und sind es heute noch die „G'scherten“. Aussätzige durften keinen Bart tragen, damit sie schon von weitem erkannt werden konnten.
Priester alter Kulturen zeigten sich immer mit Bart. Scheren, so ihr Argument, mache den im Bart wohnenden Geist unbehaust und fordere die Rache der Götter heraus. Es gab natürlich auch Ausnahmen. Im antiken Ägypten war man im allgemeinen rasiert. Der Bart galt dort allerdings als Krone. Also schmückten sich Priester und das Pharaonenehepaar mit einem umgehängten oder angeklebten künstlichen Bart. Kunsthandwerker fertigten es aus Holz, Emaille, Glas und Edelmetallen. Falsche Bärte gab es auch bei den Babyloniern, Assyrern und Persern.
Natürlich gab es kluge Frauen, die mit dieser ideologischen Macke der Männer produktiv umgehen konnten. Zum Beispiel Elisabeth I., Königin von England. Sie wählte einen Weg im Umgang mit dieser männlichen Zierde, bei dem bundesdeutsche FinanzexpertInnen einiges lernen können. Zur Schließung ihrer Etatlücken ließ sie einfach die Bärte ihrer Untertanen besteuern. Ein mehr als vierzehn Tage alter Bart fiel unter die Steuerpflicht.
Männer griffen ebenfalls in die bärtigen Freiheiten ihrer Untertanen ein. Dies diente allerdings immer höheren Zwecken. Die wildwuchernden Bärte seiner russischen Landsleute waren Zar Peter dem Großen ein Dorn im Auge. Sie entsprachen nicht seinen sich an Westeuropa orientierenden Reformbestrebungen. Da Verbote nichts nutzten, erging der Ukas, daß jeder Bartträger beim passieren der Stadttore Steuern zu zahlen hätte.
Viel früher ärgerte sich ein anderer sogenannter Großer, der mazedonische Alexander, über die Bärte seiner Soldaten, die seinen militärischen Abenteuern kontraproduktiv gegenüberstanden. Die Bärte dienten als griffige Handhabe für die gegnerischen Truppen. Konsequenz dieses großen Schlächters: Bart ab! Und fortan war der Knoten bei seinen Truppen geplatzt. Getreu diesen Erfolgen zeigten sich die griechischen Olympioniken von da an neben nacktem Körper nur noch mit nackten Wangen und nacktem Kinn. Militärisch kamen Bart- und Haartracht öfters in Schwierigkeiten. So bei der Einführung der Feuerwaffen. Durch die Entzündung der Lunten geriet meist das wallende Bart- und Kopfhaar des Schützen anstatt der Gegner unter Feuer. Männer, die genaueres über die Geschichte ihrer Bärte wissen wollen, sollten bei Karl Gottlob Schelle und seiner Geschichte des männlichen Bartes nachlesen, die 1797 in Leipzig erschienen ist. Luchterhand hat sie fast zweihundert Jahre später nachgedruckt. Gabi Trinkaus
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