: Neu in der Schauburg: "Prospero's Bücher" / Digitale Renaissance
Peter Greenaway ist ständig unter Zugzwang. Seit „Der Kontrakt des Zeichners“ wird von jedem seiner Filme erwartet, daß er noch provokanter, noch artifizieller und noch komplizierter ist.
Nach „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ schien er endgültig die Grenze dessen erreicht zu haben, was den Zuschauern zuzumuten ist. Aber Greenaway selber muß dieses Spiel auch selber genießen und mit der Hilfe von William Shakespeare, John Gielgud und den modernsten elektronischen Tricks hat er einen weiteren Gewinnzug zustande gebracht. Er hat die Grenze einfach ignoriert: Diesen Film kann man im Grunde niemandem zumuten — Greenaway nimmt keinerlei Rücksicht darauf, wieviel Auge und Gehirn des Zuschauers überhaupt verarbeiten können, aber wenn man sich spielerisch darauf einläßt, kann man die überwältigende Bilderflut von „Prosperos Bücher“ genießen. Eine von Gielgud gesprochen Textestelle kommentiert deshalb den ganzen Film: „Es gibt gar manches Spiel, das Mühe macht — doch aufgehoben durch den Spaß“.
John Gielgud ist der Prospero in dieser stürmischen Adaption von William Shakesspeares „Der Sturm“. Er steht im Mittelpunkt, mit ihm erlaubt sich Greenaway auch keine Freiheiten; bis zum letzten Drittel des Filmes spricht er sogar die Texte der anderen Figuren. Viele Textestellen erscheinen aber dann zusätzlich auch noch geschrieben auf der Leinwand.
Viele schöne Details, vergraben unter der Bilderlawine
Fast immer werden mehrere Aufnahmen übereinander geblendet. Fast immer tanzen mehr oder weniger unbekleidete StatistInnen durch die Szenen; ein Freund meinte, dies sei seiner Meinung nach der Film mit den meisten Nackten in der Geschichte des Kinos. Kostüme, Kulissen und Posen sind Gemälden aus der Renaissance nachempfunden. All die hohe Kunst wird dann durch die digitale Videomaschinerie gejagt und endet schließlich als buntschillerndes Vexierbild.
Greenaways schönste Idee sind die Bücher des Prosperos: vierundzwanzig imaginäre Bände, die durch die Paintbox real werden; darunter das ewig zuckende „Buch der Bewegungen“, das tropfende „Buch vom Wasser“ oder eine blutig, pulsierende „Anatomie der Geburt“. Aber solche Pointen findet man nur, wenn die Augen sich gerade wieder etwas von den vorhergehenden Bildern erholt haben. So vergräbt Greenaway leider viele schöne Details unter der Bilderlawine. Wilfried Hippen
In der Schauburg, täglich um 21.00 Uhr und 23.30 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen