KOMMENTAR: Ignorant in den Sand
■ Die Liste der Pannen bei Olympia 2000 reißt nicht ab
Es ist schon fast zu billig, den Dilettantismus zu beklagen, mit dem das Land Berlin seine Bewerbung um die Olympischen Spiele im Jahr 2000 betreibt. Doch wer mit dem uneleganten Ausscheiden des Geschäftsführers Grüttke ein Ende der langen Kette von Peinlichkeiten erwartet hat, sieht sich getäuscht. Ein weiterer Eckpfeiler des Werbekonzepts wurde ignorant in den Sand gesetzt. Längst liegt ein Beschluß des IOC vor, demzufolge die Bewerberstädte keine großen Werbeausstellungen mehr während der Spiele organisieren dürfen. Dessen ungeachtet setzten die Berliner genau auf eine solche Ausstellung in Barcelona. Erst der Besuch des Regierenden Bürgermeisters in Lausanne brachte den Berlinern ins Blickfeld, daß sie acht Millionen Mark umsonst verplant hatten. »Schneller, höher, weiter«, so sollte das Motto der Berliner Olympiabewerbung lauten — mittlerweile scheint es nur noch die Meßlatte für die Liste der Peinlichkeiten abzugeben. Zur Chefsache hatte der Regierende die Olympiabewerbung erklärt — der Chef scheint jetzt auf die Devise zu setzen, es sei für Berlin günstiger, sich nicht mehr allzu selbstbewußt öffentlich zu äußern. Zum Besuch in Lausanne schwieg Diepgen, ließ jedoch von seinem Sprecher verbreiten, man habe immer noch viele Punkte gut. Welche Punkte das sind, mußte offen bleiben. Ist doch nicht einmal klar, ob es noch in diesem Jahr gelingt, einen Nachfolger für Grüttke zu finden. Ehe diese Peinlichkeiten zur olympischen Disziplin erhoben werden, sollte vor dem Hintergrund der Hauptstadtentscheidung über eine Rücknahme der Bewerbung nachgedacht werden. Dann könnte das Geld direkt in die Finanzierung der bitter nötigen Strukturmaßnahmen investiert werden, die man nach dem Zuschlag erwartet. Die Olympia-Begeisterung in Berlin hält sich ohnehin in Grenzen. Kordula Doerfler
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