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Obskure Vorgänge im Moabiter Knast

■ Häftling behauptet, Anstaltsleitung habe von geplanter Flucht gewußt/ Keine Indizien für Ausbruchsversuch

Moabit. Hat die Moabiter Anstaltsleitung gewußt, daß der Gefangene Dieter W. seinen Ausgang am 14. Oktober zur Flucht nützen würde, und trotzdem nichts unternommen, weil sie Justizsenatorin Limbach schaden wollte? Das behauptet jetzt zumindest der Gefangene Bernd A., der im Moabiter Knast eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt. A. ließ über seinen Anwalt Herbert Kremer mitteilen, daß er zusammen mit zwei Mitgefangenen am 10. Oktober via Hauspost ein Schreiben an den stellvertretenden Anstaltsleiter Pohl geschickt habe, in dem diesem mitgeteilt worden sei, daß W. von seiner Ausführung am 14. Oktober nicht zurückzukehren gedenke: W. habe zuvor seine persönlichen Gegenstände im Knast verkauft. Justizsprecherin Fölster erklärte auf Nachfrage, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß A.s Behauptung der Wahrheit enspreche. Von dem besagten Schreiben sei nichts bekannt.

Ob A. tatsächlich am 10. Oktober ein solches Schreiben verfaßt und abgeschickt hat, ist unklar. Der taz liegt eine Kopie eines handschriftlichen Briefes mit Datum vom 10. Oktober vor, das an den Oberregierungsrat Pohl gerichtet ist. Es ist natürlich möglich, daß der Brief erst nach der Flucht von W. verfaßt und niemals an Pohl abgeschickt wurde. Fest steht jedoch, daß A. am 22. Oktober einen Brief an Justizsenatorin Limbach gerichtet hat, der am Freitag eingegangen sein soll. In dem Schreiben verweißt A. darauf, daß die Moabiter Anstalt laut eines Pfortenbeamten »davon ausgegangen« sei, daß W. »nicht zurückkehre«.

Am selben Freitag wurde A. mit zwei weiteren Gefangenen aufgrund einer Sicherheitsverfügung in eine andere Zelle verlegt und dort bar jeglicher persönlicher Habe isoliert. Justizsprecherin Fölster begründete diese Maßnahme gestern damit, daß es Hinweise gegegen habe, daß die drei Gefangenen einen Ausbruchsversuch geplant hätten. Nach Informationen der taz soll der Tip von einem 41jährigen Gefangenen gekommen sein, der bereits 20 Jahre Knast auf dem Buckel hat. Dieser Gefangene soll behauptet haben, daß die drei Insassen Justizbeamte als Geiseln nehmen und mittels selbstgebasteltem Sprengstoff ihre eigene Freilassung erpressen wollten. Eine Durchsuchung der Zellen und des Traktes durch Polizeibeamte mit Sprengstoffhunden in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Fätkinheuer verlief jedoch ohne Ergebnis. A.s Anwalt berichtete der taz, daß sein Mandant gestern wieder in seine alte Zelle zurückverlegt worden sei. Justizsprecherin Fölster vermochte dies nicht zu bestätigen, ging aber davon aus, daß die Ermittlungsverfahren gegen die drei Häftlinge eingestellt würden, weil keine Beweise für eine angeblich geplante Flucht gefunden worden seien. plu

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