: Rote Karte für Hausmann-betr.: "Grüne Utopien", Kommentar von Ulrich Hausmann, taz vom 28.10.91
betr.: „Grüne Utopien“, Kommentar von Ulrich Hausmann,
taz vom 28.10.91
Der Fakt ist unbestritten: Konrad Weiß läßt keine Gelegenheit aus, gegen seine Gruppe aufzutreten. Mit Hausmanns positiver Bewertung dieser Haltung habe ich Schwierigkeiten. Weiß steche ab vom Durchschnitt seiner Parteifreunde. Ist es nicht vielmehr so, daß er seine Parteifreunde absticht? Ist ein Einzelgänger, wer sich gegen die Minderheit, der er angehört, immer wieder auf seiten der herrschenden Mehrheit schlägt? Geht er konform, wenn er toleriert, was in seinem Grüppchen (Bündnis 90/ Grüne ist nicht mal Fraktion) Konsens ist, oder wird er nicht vielmehr zum Konformisten, wenn er die Bundestagspräsidentin, Repräsentantin der größten Regierungspartei, gegen die eigenen Leute anruft? Selbst wenn dies im Fall 218 von einer Position aus geschieht, die ihrer Antiquiertheit wegen selbst in bürgerlichen Parteien kaum mehrheitsfähig ist: Der Dreck von Denunziation und Verworrenheit bleibt am Bündnis kleben. Nicht genug der Begriffsverwirrung: Weil die Partei (von Hausmann „Grüne“ genannt) ihren Gegner als Gegner bezeichnet, vollzieht der Kommentator in einem Salto den verbalen „Übergang von der Staatspartei zum Parteienstaat“. In der DDR hieß es, die Abgeordneten seien ihren Wählern verantwortlich, was angesichts der absoluten Herrschaft der SED- Führung eine Leerformel blieb. In der Bundesrepublik sollen Abgeordnete ihrem Gewissen verantwortlich sein; daß sie solches nur in seltenen Fällen besitzen, läßt sich bei täglicher Lektüre der taz feststellen. Offenbar hat die erste Formel, so sie nicht leer bleibt, mehr mit Demokratie zu tun als die schwammige Anrufung des Gewissens: Politiker sagen, wofür sie und ihre Partei eintreten, und werden dafür gewählt. Herr Weiß kam nicht seiner individualistischen rote Fliege wegen in den Bundestag, sondern weil er für die Bürgerbewegungen stand. Sich an Wahlversprechen nicht zu halten, ist die demokratieübliche Variante des Wählerbetrugs. Die Vorstellung, Politiker könnten das tun, um dessentwillen sie gewählt wurden, ist selbst einem alternativen Westler so fremd, daß er a priori SED-Mief wittert anstatt sie genauer zu beschnüffeln. Übrigens geht es bei der Aufforderung zur Mandatsrückgabe nicht um die Vernichtung von Weiß. Eher um die Empfehlung, sich bei der CSU einschreiben zu lassen. [...] Hartmut Mechtel, Potsdam
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