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Das Recht auf Megabusen

New York (dpa/taz) — Amerikas Frauen wollen das Recht auf plastikgefüllte Brüste behalten. In einer öffentlichen Kampagne streiten sie gegen ein mögliches Verbot der Silicon-Einlagen in weibliche Busen.

Das Bundesgesundheitsamt in Washington (Food and Drug Administration) hat jüngst seine Auffassung bekräftigt, daß die Hersteller der Einlagen ihre Unschädlichkeit vor allem über längere Zeiträume nicht ausreichend nachgewiesen und dokumentiert haben. Das Verbot, mit dem deswegen gedroht wird, würde ein Riesengeschäft beenden und zahllosen Frauen das nehmen, was sie für ein Grundrecht halten: den Anspruch auf eine vollendete Brust, auch wenn sie sie von der Natur nicht mitbekommen haben. Mehr als zwei Millionen Amerikanerinnen haben die Operation vornehmen lassen, und jedes Jahr kommen 150.000 dazu. Viele Schönheitschirurgen erzielen die Hälfte ihres Einkommens allein mit Brustoperationen.

Denn die Faszination der Amerikaner für diesen Teil der weiblichen Anatomie übertrifft alles, was man sich in den meisten anderen Ländern vorstellen kann. Das englische Wort „cleavage“ hat in der deutschen Übersetzung die unterschiedlichsten Bedeutungen — Amerikaner aber haben, wenn es fällt, in 99 Prozent aller Fälle nur eine Assoziation: die angedeutete oder auch tiefe Spalte zwischen zwei Brüsten im Décolleté. Die Sehnsucht nach dieser Idealerscheinung ist Grundlage für ein Milliardengeschäft mit Silicon-Implantationen geworden. Nur rund 20 Prozent der Betroffenen lassen sich nach Krebsoperationen oder wegen einer Deformation die Brust restaurieren, der Rest will einfach die weiblichen Attribute vergrößern und festigen. Auch die feministische Bewegung hat bisher die Frauen nicht davon überzeugen können, mit einer von der Natur und den Erbanlagen bestimmten Oberweite durchs Leben zu gehen.

In einem solchen Meinungsklima wird verständlich, daß die Drohungen des Gesundheitsamtes in Washington, die Implantationen wegen nicht erwiesener Unschädlichkeit zu verbieten, für wilde Proteste gesorgt haben. Die Plastikchirurgen haben die Kampagne mit hohen Beiträgen finanziert, und ihre überzeugtesten Patientinnen sind in diesem Monat auf Kosten der Ärzte in Massen nach Washington gefahren und haben dort gegen das mögliche Verbot protestiert.

Die Gesundheitsbehörde hat die Silicon-Hersteller seit 1981 mehrfach aufgefordert, ausreichendes Material über die Unbedenklichkeit ihrer Produkte zu präsentieren. Sie hält das, was dann schließlich präsentiert wurde, für völlig unzureichend. Kritikerinnen der massenweisen chirurgischen Manipulationen haben seit langem darauf verwiesen, daß die Patientinnen von den geschäftstüchtigen Ärzten kaum über die Risiken aufgeklärt werden: die Krebsgefahr könnte zunehmen, Silicon gerät in kleinen Dosen aus den Behältern ins Fettgewebe, die Untersuchungen auf möglichen Brustkrebs werden erschwert, und schließlich wissen die meisten Frauen zunächst nicht, daß sie alle paar Jahre wieder operiert werden müssen. Gerade das Argument der mangelnden Haltbarkeit aber spricht für viele Frauen nicht für, sondern gegen das Verbot. „Was soll ich tun, wenn sie reißen“, fragte eine Demonstrantin: „Woher soll ich einen Ersatz kriegen, wenn sie verboten sind?“

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