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Erste Entspannungszeichen in Madrid

Keine Änderung in den inhaltlichen Positionen, aber auch keine harten Worte für die Gegenseite/ Erste Lockerungsübungen am Rande/ Ein wichtiger Streitpunkt bleibt der Ort für bilaterale Verhandlungen/ Syrien will nicht nach Jerusalem  ■ Aus Madrid Beate Seel

Der erste Tag der Madrider Nahost- Konferenz klang mit Heiterheit aus. Das war nicht US-Außenminister James Baker geschuldet, der am Abend die letzte einer ganzen Reihe von Pressekonferenzen gab, sondern einer Frau, die in ihrer „Frage“ einen Zusammenhang zwischen der Konferenz und der dritten — geheimen — Weissagung der Fatima herstellte. Solange das dritte Geheimnis der Fatima nicht gelüftet ist, das von der Kirche geheimgehalten wird und in dem der dritte Weltkrieg vorausgesagt wird, könne die Konferenz nicht gelingen, sei kein Frieden in Sicht. Ob der christliche Gott seine Hand schützend über die Stadt hielt, wurde zumindest von einigen der über 5.000 Journalisten im Pressezentrum ebenfalls heftig bezweifelt. Denn in dem großen, dreistöckigen Gebäude war an den Getränke- und Imbißtresen kein einziger Tropfen Alkohol aufzutreiben. So ließen sich die Anwesenden am ersten Tag 2.000 Liter Kaffee durch die Kehle rinnen.

Doch es war nicht nur Fatima, die an diesem Abend für Entspannung sorgte. In einer ganzen Reihe von Pressekonferenzen, in denen die Ereignisse des Tages, vor allem aber die Rede Bushs beurteilt wurden, fehlte die Anspannung, die man noch am Morgen auf den Gesichtern einiger Beteiligter ausmachen konnte. Der jordanische Außenminister Kamal Abu Jaber beschrieb, was er empfand, als er am Konferenztisch seinen Platz gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten Schamir einnahm: Es war ein „angespannter Augenblick, ohne Angst, ohne Hoffnung“, denn in jordanischen Augen repräsentiert Schamir einen Staat, der Angst und Unsicherheit auslöst. US-Außenminister James Baker mochte sich zu seinen persönlichen Gefühlen nicht äußern, faßte aber seinen Eindruck des ersten Tages so zusammen: „Man kriecht, ehe man läuft, und man läuft, ehe man rennt, und heute haben wir angefangen zu kriechen.“ Er warnte erneut vor übertriebenen Hoffnungen, hob jedoch hervor, daß an diesem Tag ein altes Tabu gebrochen wurde, das besagt, Israelis und Araber könnten nicht miteinander reden.

Wenn sie bislang miteinander geredet haben, dann sicher nicht auf der Konferenz, die einen eher zeremoniellen Charakter hat und über Strecken an ein Bühnenstück erinnert. Eine inhaltliche Annäherung ist von dieser öffentlichen Auftaktveranstaltung nicht zu erwarten, und sie fand bisher auch nicht statt. Bemerkenswert war jedoch die Art und Weise, in der die Vertreter der verschiedenen Delegationen während ihrer Pressekonferenzen ihre Position darstellten — ohne aggressive Ausfälle, ohne unnötige Härte im Ton, und es wurde, gerade von arabischer Seite, immer wieder betont, daß es nicht darum gehe, Punkte zu sammeln oder die Gegenseite von der eigenen Position zu überzeugen. Bei der Einschätzung der Rede George Bushs hoben die Beteiligten die ihrer Ansicht nach positiven Aspekte hervor und gingen in der Regel auf die Kritikpunkte erst auf Nachfrage ein.

Dabei fand jede Seite in der Rede des US-Präsidenten etwas, auf das er sich positiv beziehen konnte. Für die Araber war dies der Bezug auf die UN-Resolutionen 242 und 338, die einen israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten fordern. Baker selbst stellte in seiner Pressekonferenz klar, daß diese Resolutionen das von Israel so heftig zurückgewiesene Prinzip „Land gegen Frieden“ beinhalten. Aber auch Kritik gab es: Bush hatte weder diese Formel ausdrücklich in den Mund genommen noch Ostjerusalem und das palästinensische Recht auf Selbstbestimmung oder die israelischen Siedlungen erwähnt. „Einiges hätten wir gerne gehört“, meinte Abu Jaber, beeilte sich jedoch hinzuzufügen, daß es noch etwas zum Verhandeln geben müsse.

Umgekehrt ging der stellvertretende israelische Außenminister Benjamin Nethanyahu in seinem Eingangsstatement auf die erwähnten Resolutionen gar nicht erst ein. Er machte andere positive Punkte in den „sehr positiven Erklärungen“ Bushs und Gorbatschows aus: Er hob in Übereinstimmung mit Bush hervor, daß es nicht nur um ein Ende des Krieges, sondern um einen wirklichen Frieden mit formalen Verträgen gehe, der auch Sicherheit garantiere. Sicherheit, so Nethanyahu, sei gerade deshalb von grundlegender Bedeutung, weil Europa gezeigt habe, wie Demokratie und Frieden Hand in Hand gingen, während Israel im Nahen Osten der einzige demokratische Staat sei. Auf eine Frage nach einem territorialen Kompromiß wies er darauf hin, daß auch Bush gesagt habe, beide Seiten müßten Kompromisse machen. Israel habe schließlich bereits 90 Prozent des 1967 besetzten Territoriums — den Sinai — zurückgegeben. Im übrigen könne kein Land sicher sein, das man in einem halben Tag durchwandern kann. Hier klaffen also nach wie vor tiefe Gräben zwischen den einzelnen Positionen.

Eine Aussage Bushs hatte es Nethanyahu besonders angetan, nämlich seine Äußerung, daß Frieden nur als Ergebnis von direkten Gesprächen ohne Vorbedingungen möglich ist — eine alte Forderung der israelischen Regierung, die sie auch in den Verhandlungen mit Baker durchgesetzt hat. Dahinter steht die Auffassung, daß es sich beim Nahost-Konflikt um einen Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten, nicht aber im Kern um einen israelisch-palästinensischen Konflikt handelt. Nethanyahu legte auch gleich noch eins drauf und wiederholte die Forderung der israelischen Regierung, daß diese Gespräche im Nahen Osten stattfinden — turnusmäßig diesseits und jenseits der Grenze des jeweiligen Gesprächspartners. Es gehe darum, so Nethanyahu, in der Region Vertrauen zu bilden, den Völkern zu signalisieren, daß der Frieden nahe sei.

Die arabischen Staaten, vor allem Damaskus, ziehen es demgegenüber vor, daß die bilateralen Gespräche im neutralen Ausland stattfinden. Die Symbolik der Ortswahl wird hier mit umgekehrten Vorzeichen betrachtet: Eine syrische Delegation, die auf israelischem Boden verhandelt, hat den jüdischen Staat de facto bereits anerkannt, ehe der Prozeß zu einem erfolgreichen Abschluß gekommen ist. So sind es auch die bilateralen Gespräche, die in diesen Tagen in Madrid der einzige tatsächliche Verhandlungsgegenstand in den zahlreichen Gesprächen am Rande der Konferenz sind.

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