: Schulden fressen Treuhandvermögen auf
■ Bundesregierung rechnet Jahr für Jahr mit Treuhand-Defiziten von mindestens 30 Milliarden Mark
Bonn (afp/dpa/taz) — Bis 1994 wird die Treuhandanstalt Jahr für Jahr rund 30 Milliarden Mark Minus machen. Die Vermögens- und Finanzlage der Treuhand sei aber derzeit „noch sehr unscharf“, heißt es mit vorsichtigem Optimismus in einer Zwischenbilanz zur Arbeit der größten Industrieholding der Welt, die Finanzminister Theo Waigel (CSU) gestern vom Bundeskabinett absegnen ließ. Bei einem Defizit von rund 25 Milliarden Mark 1991 sei bei der Treuhand in den Folgejahren mit höheren Verlusten zu rechnen. Die jährliche Kreditaufnahme der Treuhand soll — so die erklärte Absicht der Bundesregierung — aber auf 30 Milliarden beschränkt bleiben.
Das Bruttovermögen der Treuhandanstalt sei nach einer mit vielen Vorbehalten zu versehenden ersten Rechnung mit rund 200 Milliarden Mark veranschlagt gewesen, heißt es in dem Bericht weiter. Dieser Wert müsse voraussichtlich „nicht unerheblich“ nach unten berichtigt werden: Ökologische Altlasten, Entschädigungen und Reprivatisierungen dürften die errechneten Werte drastisch zusammenschnurren lassen. Schon heute stehen laut Waigel den Vermögenswerten „annähernd bezifferbare“ Schulden von rund 167 Milliarden Mark gegenüber.
Bekräftigt wird in Waigels Bericht der Plan, die Zahl der Arbeitsplätze in Treuhand-Unternehmen bis zum Jahresende auf 1,6 Millionen zu senken. Ende 1990 waren dort noch 2,9 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Dieser Abbau um 1,3 Millionen Beschäftigte innerhalb nur eines Jahres ist allerdings nicht gleichbedeutend mit Entlassungen, da auch Verkäufe von Unternehmen, Pensionierungen und die Schaffung von ABM-Stellen enthalten sind. In der Treuhand selbst sind derzeit 3.200 Angestellte beschäftigt.
Zum Treuhand-Vermögen zählen auch land- und forstwirtschaftliche Vermögen und Immobilien im Wert von annähernd 110 Milliarden Mark, heißt es in der Zwischenbilanz weiter. Dabei müsse aber eine „begrenzte Aufnahmefähigkeit“ des Marktes berücksichtigt werden, so daß die Verwertung nur in einem längeren Zeitraum möglich sei. Bei den Schulden handele es sich vor allem um Altschulden der Unternehmen. Hinzu kämen auch Verpflichtungen gegenüber dem Kreditabwicklungsfonds sowie Zuschüsse zu Sozialplänen finanzschwacher Unternehmen.
Bis Ende September wurden von den anfänglich über 8.000 Kombinaten und volkseigenen Betrieben rund 3.800 privatisiert, davon durch die Berliner Zentrale etwa 1.250 und durch die 15 ostdeutschen Treuhand- Filialen rund 2.500. Damit erzielte die Treuhand Kauferlöse von knapp 14 Milliarden Mark. Die Verkäufe waren mit Zusagen verbunden, 720.000 Arbeitsplätze zu erhalten und 85,2 Milliarden Mark zu investieren. An ausländische Erwerber, die Investitionszusagen von 6,5 Milliarden Mark machten, gingen 176 Unternehmen. Die Ausländer gaben für rund 57.000 Beschäftigte eine Arbeitsplatzgarantie ab.
Nach Waigels Bericht klettern die Subventionen des Bundes wegen der Finanzierung des wirtschaftlichen Aufbaus in Ostdeutschland im laufenden Jahr gegenüber 1990 um gut acht Milliarden auf 38,5 Milliarden Mark. 1992 wird wieder ein Rückgang auf 35,6 Milliarden Mark angestrebt. Einschließlich der Länder und Gemeinden erhöhen sich die Subventionen in diesem Jahr insgesamt um knapp 19 Milliarden auf 99 Milliarden Mark. dri
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