: »Das Leben ist eine Spielwiese«
■ »The Rose« — Schlangenfrau, Verkleidungskünstlerin und Partygirl/ Die Engländerin, die 1987 nach einer Tournee in der Stadt hängenblieb, interessiert sich vor allem für die Menschen
Wer mehr als eine Show von »The Rose« gesehen hat, macht eine verblüffende Entdeckung: Jedes Mal scheint eine völlig andere Person auf der Bühne zu stehen. Ob sie als unwirklich anmutende, achtarmige Erscheinung wie aus einem orientalischen Märchen daherkommt oder ihren geschmeidigen Körper im Körper eines pomadisierten Macho- Jünglings mit dunkler Sonnenbrille verbiegt — die Verkleidung ist perfekt und nicht zuletzt auch Teil ihrer Persönlichkeit.
So kann es passieren, daß die auffällige Frau mit den bunten, eingeflochtenen Haaren, die man am Abend in einer Diskothek kennengelernt hat, sich am nächsten Tag in eine Blondine verwandelt — oder in jene fast ungeschminkte junge Frau mit den kurzen braunen Haaren, die mich in Lederjacke, Bodystocking und Biker-Stiefeln nach einem Auftritt in der Romy-Haag-Show in der Ufa-Fabrik erwartet.
»Es sind immer die Augen, an denen man einen Menschen wirklich erkennt«, erzählt Rose. »Und ich mag es nicht, mich auf eine Rolle festlegen zu lassen. Ich liebe es auch privat, mich zu verkleiden. Neulich war ich abends als alter Mann unterwegs, gebeugt und mit schleppendem Gang. Die Leute haben zwar gemerkt, daß irgendetwas mit mir nicht stimmt, aber selbst Freunde haben mich erst nach einiger Zeit erkannt.«
Als Artistin im traditionellen Sinne sieht Rose sich nicht. Zwar könnte sie auch beim Zirkus arbeiten, aber es kommt ihr mehr darauf an, eine Atmosphäre zu erzeugen.
»Ich bin ein sehr visueller Mensch und denke eigentlich immer in Bildern. Insofern sehe mich eher als eine Art Performance-Künstlerin.«
Ihre Gelenkigkeit entdeckte Rose in früher Kindheit, doch auf die Idee, aus diesem Talent einen Beruf zu machen, kam sie relativ spät: »Es ist ja nicht so, daß man sich ein Leben lang vornimmt, Schlangenfrau zu werden, so wie andere Leute Sekretärin werden wollen. Außerdem wußte ich mit achtzehn nicht, ob ich nicht schon zu alt dafür bin. Ich habe dann richtig angefangen zu trainieren und mir einen Job gesucht.«
Aerobic, Flexibilität und Krafttrainig gehören zum Programm, das Rose regelmäßig absolviert, und um scheinbar so mühelos die Beine hinter dem Kopf zu verschränken, muß sie sich vor einem Auftritt etwa eine Stunde warm machen: »Ich muß mich dabei sehr konzentrieren und kann dann auch mit niemandem reden. Ich bleibe dann in der Garderobe und mache meine Übungen.«
Nach Berlin kam die Engländerin 1987 mit dem Disco-Zelt »Die Macht der Nacht«, das mittlerweile in Paris steht und bei dem sie auch heute noch ein festes Engagement hat. In Berlin fühlt sie sich mittlerweile auch zu Hause. Ihre Freunde leben hier, und sie kann ihrer Leidenschaft für Parties nachgehen, die sie organisiert oder auf denen sie als optisches Bonbon auftritt: »Ich habe da eine gute Balance. Ich absolviere meine Engagements in anderen Städten, und in Berlin habe ich die Parties. Was mich wirklich interesssiert, sind Leute, und nirgendwo sonst hat man die Gelegenheit, so viele Menschen kennenzulernen. Ich kann alle Trends aufnehmen, und im Kontakt mit Leuten entwickelt sich für mich immer etwas Neues. Deshalb arbeite ich auch viel mit anderen Künstlern, Malern und Fotografen zusammen. Meine Freunde sind alle ziemlich extrovertiert, und jeder macht seine kleine Show für die anderen. Ich liebe es, Menschen auf ihre Reaktionen zu testen, zu tanzen und meinen Spaß zu haben.«
Sich selbst oder andere zu unterhalten, ist für Rose derzeit das Wichtigste, und ihre Philosophie bringt sie selbst so auf den Punkt: »Ich denke, das Leben ist eine große Spielwiese, und entweder man amüsiert sich oder nicht. Was ich mache, ist nicht in erster Linie Arbeit, sondern eine Frage des Lebensstils.«
Wer Roses Stil kennenlernen will, kann dies am 30. November im Quartier tun. Zwischen Tekkno-Beats und Video-Gemälden hat sie auf der Westbam-Record-Party ihren nächsten großen Auftritt. Martin Schmidt
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