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Die Eisladies schlittern auf dünnem Eis

■ Trotz des Gewinns der Deutschen Meisterschaft in der vorigen Saison plagen die Eishockey-Ladies des OSC Berlin arge Sorgen Selbst im eigenen Landesverband werden Berlins Kufenflitzerinnen ignoriert, obwohl in der Stadt zwei Bundesligisten spielen

Schöneberg (taz) — Ein kurzer Stehempfang, ein paar belegte Brötchen sowie ein Handtuch als Werbegeschenk — im Schnellverfahren wurden die besten Aktiven des Berliner Eissport-Verbandes im August abgeehrt. „Wir wurden nur am Rande erwähnt“, lächelt Martina Kössel, die sich über so wenig Beachtung längst nicht mehr wundert. Denn die großgewachsene Bayerin wurde zwar Deutscher Eishockey- Meister 1990/91 — aber leider „nur“ mit den OSC-Ladies und nicht in den patriarchalen Reihen des BSC Preussen. „Frauen-Eishockey spielt noch keine Rolle in der Stadt“, mußte auch OSC-Lady Karin Ohainski erkennen: „Trotzdem haben wir uns nach dem Titelgewinn mehr erwartet.“

Im Frühjahr war es, als das Siegtor der Berlinerin Beate Baert zum 3:2 über die Düsseldorferinnen die Schöneberger Eisdamen noch hoffen ließ. Der Treffer sollte in größere Publizität und eine Auffrischung der Frauschaftskasse umgemünzt werden. Daraus wurde nichts. „Die Medien“, erzählt Martina Kössel, „nehmen unsere Termine dankend an, bringen aber doch nichts über unsere Spiele.“ Folglich kann die PR-Frau ihres Teams auch in Sachen Sponsering nichts Gutes berichten: „Ich habe ungefähr 90 Briefe verschickt an potentielle Sponsoren. Darauf erhielten wir 30 Antwortschreiben, aber nur eines war positiv.“ Schatzmeisterin Karin Ohainski zürnt der Ignorantenfraktion: „Sie wurden nach dem Fall der Mauer immer geiziger und investieren lieber im Osten.“ Oder sie stürzen sich auf die zwölf Männer-Bundesligisten, in die werbegeile Mäzene in dieser Saison ungefähr 65Mio. DM (!) pumpen. Für das schwache Geschlecht mit den starken sportlichen Leistungen bleiben nur Brosamen. An emanzipatorischen Vorbehalten, so Martina Kössel, liege es nicht. „Frauen im Eishockey werden akzeptiert, vor allem in den Städten.“ Mannheim, Düsseldorf oder Berlin sind die Hochburgen der weiblichen Eishockey-Bundesliga. Lediglich in Bayern, berichtet die 24jährige Studentin aus ihrer Heimat, werden die Frauen nicht ernst genommen: „Es heißt dort: Laßt die Hausfrauen mit ihren Kochtöpfen ein wenig auf dem Eis herumrutschen.“

Aber von der Anerkennung allein können die OSC-Ladies nicht leben. Mehr denn je sind sie auf das eigene Sparschwein angewiesen, seitdem der Landessportbund per 1.Januar 1991 sämtliche Reisekostenzuschüsse gestrichen hat. Berlin ist schließlich nicht mehr Frontstadt im Roten Meer... Und Eintritt zu ihren sehenswerten Heimpartien gegen die Konkurrenz aus aller Damen Länder verlangen die OSCerinnen erst gar nicht. Außer wahren Eishockey- Fans kommen bislang ehedem nur Eltern, Freunde und Bekannte der Kufenflitzerinnen auf ihre Kosten. Nicht so die Akteurinnen selbst. „Wir müssen dreimal zu jeweils zwei Wochenendspielen nach Westdeutschland reisen“, rechnet Karin Ohainski vor: „Für Fahrt und Übernachtung macht das pro Spielerin jedesmal rund 100 Mark, die aus eigener Tasche bezahlt werden.“ Da auch die Spielkleidung und Schlittschuhe auf eigene Rechnung gehen, stellt sich das Team bei manchen Auswärtsreisen gar von selbst auf. Karin Ohainski: „Einige kommen nicht, weil es zu teuer ist.“

So gesehen war der Deutsche Meistertitel ein Griff in die eigene Tasche. 3.500 Mark kostete der Trip auf das höchste Siegertreppchen im sächsischen Weißwasser. Vom Stammverein OSC haben die Ladies dünne 600 Mark erhalten. „Ein Klacks“, urteilen Martina und Karin unisono, die noch immer daran glauben, daß der Eis-Prinz eines Tages kommen wird und etwas mehr Geld mitbringt. Jürgen Schulz

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