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Die äußeren Wunden sind verheilt

■ Dem Vietnamesen Bui V. geht es besser, aber bleibende Schäden sind nicht ausgeschlossen

Berlin. Dem Vietnamesen Bui V. geht es gesundheitlich besser. Am Freitag, als ihn die taz-Reporterin zusammen mit seinem Cousin und einer Sozialarbeiterin im Krankenhaus besuchte, durfte er aufstehen und ein paar wackelige Schritte am Arm untergehakt über den Flur gehen. Der 41jährige zierliche Mann wurde vor drei Wochen von jugendlichen Skinheads am hellichten Nachmittag in Hellersdorf derartig zusammengeschlagen, daß er mehrere Tage in Lebensgefahr schwebte. Inzwischen sind die äußerlichen Wunden an seinem Kopf verheilt, aber ob er wieder ganz gesund wird, ist fraglich. Die Ärzte hoffen, daß sein Gedächtnis langsam wiederkommt, halten es aber auch für möglich, daß ein Gehirnschaden zurückbleibt.

Bei den ersten Besuchen seines Cousins fragte Bui immer wieder, wo er sei. »Er hat alles durcheinandergebracht und gedacht, er ist zu Hause in seinem Dorf«, erzählt die Sozialarbeiterin Tamara H., die als Beraterin in dem Marzahner Vietnamesen-Wohnheim arbeitet, in dem Bui lebte. Zunächst schien es auch so, als ob er die wenigen Brocken Deutsch, die er vor der Tat sprechen konnte, vergessen hat. Inzwischen brachte er zwar auch wieder ein paar deutsche Silben über seinen Lippen, aber jede längere Unterhaltung, auch in seiner Muttersprache, fällt ihm noch sehr schwer.

Was ihm am 14. Oktober in Hellersdorf wiederfuhr, daran hat Bui V. keinerlei Erinnerung. Nach Angaben der Polizei soll er an dem Tag, als er von den drei Skinheads zusammengeschlagen wurde, ein Stuhlbein bei sich gehabt haben, durch das eine Schraube gebohrt war. Die Polizei geht davon aus, daß Bui als Bodyguard für vietnamische Landsleute tätig war, die in Hellersdorf unverzollte Zigaretten verkaufen. Daß Bui ein Bodyguard war, hält die Sozialarbeiterin Tamara H. Für »ausgeschlossen«. Das Stuhlbein erklärt sie sich damit, daß sich Bui V. schützen wollte, weil er vor der letzten Tat schon zweimal zusammengeschlagen worden sei. Den Tathergang erklärt sich die Sozialarbeiterin so, daß die Skinheads Bui für einen Zigarettenverkäufer gehalten hätten und ihm diese klauen wollten. »Daß Jugendliche den Vietnamesen die Zigaretten wegnehmen, passiert auf dem Markt ständig.« Meistens gingen die 13 bis 15jährigen dabei so vor, daß sie die Polizei auf die Verkäufer unverzollter Rauchwaren aufmerksam machten. »Wenn die Vietnamesen dann vor den Beamten weglaufen, rennen die Jugendlichen hinterher und nutzen die Situation aus, um den Verkäufern die Zigaretten wegzureißen.« Manche Jugendliche hätten es sich zu einem richtigen Sport gemacht, Vietnamesen nach dem Motto »Fidschis klatschen« die Zigaretten zu klauen und sie zusammenzuschlagen.

Bui V. ist von Beruf Schleifer. Er wuchs in der Nähe des Dorfes Ha Nam Ninh in einer bäuerlichen Großfamilie in Nordvietnam auf. Drei Jahre war er Soldat im Vietnamkrieg. 1988 wurde er in die DDR entsandt. Buis Ehefrau und seine drei Kinder im Alter von 14, 12 und 9 Jahren leben in Ha Nam Ninh. Die Beratungsstelle des Marzahner Wohnheims versucht, die Familie jetzt nach Berlin zu holen, in der Hoffnung, daß Bui V. dann vielleicht eher genesen wird. Eine förmliche Einladung der Ausländerbeauftragten des Berliner Senats, Barbara John, befindet sich bereits auf dem Weg nach Hanoi. Jetzt hängt alles von der Zustimmung der vietnamesischen Ausreisebehörde ab. Die Kosten für das Flugticket für die Ehefrau hat die Senatsverwaltung für Soziales übernommen, die auch für die Kosten ihres Unterhalts aufkommen will. Von den eingegangenen Spenden — der Aufruf war auch in der taz veröffentlicht worden — will die Beratungstelle das Ticket für Buis ältesten Sohn sowie Rechtsanwaltskosten finanzieren. plu

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