Gesplittert und geknirscht

■ Die Vierte der Pixies

Alle Welt sprach über diese Platte, und keiner hatte sie gehört. Das lag vor allem an der Promotion-Idee, Sänger Black Francis, nur mit einer akustischen Gitarre bewaffnet, durch viel zu kleine Clubs zu schicken, wobei er nebenbei noch das eine oder andere Interview geben konnte. Dadurch wurde die getarnte Promotion-Tour dank rappelvoller Läden und saftiger Eintrittspreise noch teilfinanziert. Daß so viele danach fieberten, lag an der wohlentwickelten Fähigkeit der Pixies, allen zu gefallen, die eine kleine Schwäche für elektrische Gitarren haben, und an dem unbegründeten Gerücht, daß diese neue Platte Heavy Metal sei.

Nach ihrer dritten LP Bossanova war es seltsam ruhig um die Pixies geworden, obwohl oder gerade weil diese ihre bis dahin kommerziell erfolgreichste war. Jeder wartete auf den so oft vollzogenen Wechsel zur Industrie (der in letzter Zeit eigentlich auch keinem mehr geschadet hat), und als der ausblieb, legte sich auch das Getöse um die Band, die immerhin als Erneuerer, ja als revolutionär im Bereich der allseits totgesagten Rockmusik gefeiert worden war. Dabei verdeckten die ausverkauften Tourneen, die guten Verkäufe und der Jubel der Kritiker nur, daß die Pixies nie mehr getan hatten, als eine Brücke vom konventionellen Rock zum Lärm der Avantgarde zu schlagen, und mithin nicht viel mehr waren als die amerikanische Version von The Jesus & Mary Chain. Wäre man gehässig, könnte man auch sagen, sie waren der kleinste gemeinsame Nenner. Nichtsdestotrotz, Surfer Rosa (nach einer ersten EP ihre erste LP) war 1988 die beste mögliche Rockplatte. Produziert von Big Black's Steve Albini war sie rauh, unbehauen, krank und groß. Die beiden nächsten Platten Doolittle und Bossanova konnten da nichts besser machen, und im Laufe der Zeit gewöhnten sich alle daran, daß die neueste Platte der Pixies jedes Jahr wie die im Jahr zuvor klang: bestenfalls ein wenig leiser. Die Band landete in allen Leserpolls in schöner Regelmäßigkeit ganz vorne. Eine Indie-Band auf dem Weg zur Supergruppe.

Daran wird auch Trompe Le Monde nichts ändern, obwohl sie wieder lauter ist als ihre Vorgänger. The Sad Punk zum Beispiel beginnt als reichlich dumpfes Stück Rock, bleibt auch so, um völlig überraschend zu einem langsamen, verzerrten, typischen Stück Pixies- Rock zu werden. Was diese Platte von den vorausgegangenen unterscheidet, ist, daß das Pixies-Konzept das erste Mal über volle LP-Länge aufgeht. Das Rezept ist: Nimm den normalsten Rock, den du dir denken kannst, aber mach irgendwas ein bißchen anders, sing ein wenig heiser, spiel die Gitarre leicht schräg, wechsle Stimmung, Rhythmus oder Riff an den Stellen, wo es keiner erwartet. Die Platten zwei und drei waren deshalb eher langweilig, weil sie dadurch, daß sie sich geradezu manisch um Unberechenbarkeit bemühten, berechenbar wurden. Auf Trompe Le Monde halten sich die Pixies an die beim jahrlangen Feilen errungenen Prinzipien und verpassen ihnen den härteren Sound der ersten Veröffentlichungen. Und fassen zusammen, was sie sich über die Jahre erworben haben. Also erinnert jenes an dieses und formt doch ein geschlossenes Ganzes, das man das erste Mal mit Recht LP nennen kann — eben nicht nur eine Anzahl guter und weniger guter Songs auf zufällig demselben Stück Vinyl.

Was sie vor allem gelernt haben, ist, ihre Songs beisammenzuhalten. Die haben plötzlich Enden, die zwar immer noch aufhören, als hätte Black Francis etwas vergessen, aber immerhin hat man den Eindruck einer runden halbwegs zuendegebrachten Sache, nicht eines achtlos in der Ecke liegenden Scherbenhaufens, der knarzt, wenn man aus Versehen drauftritt. Gesplittert und geknirscht wird nur mehr innerhalb der geschlossenen Einheit. Dabei verfahren sie einmal sehr grazil, mit zum Beispiel nur wenigen zart falschen Tönen, ein andermal hauen sie einem den Krach nur so um die Ohren, als würde im Kasperltheater ein Aufeinandertreffen von Sonic Youth und Pussy Galore geprobt.

Daß sie dabei trotzdem immer melodiös, wenn auch sehr fies, und irgendwie dann doch radiotauglich bleiben, genau das ist ihr größtes Talent, und damit werden sie noch viele, viele Platten verkaufen, auch dann, wenn die Rockmusik noch nicht einmal mehr schlecht riecht. Thomas Winkler

Pixies: Trompe Le Monde, 4AD/ Rough Trade, RTD 120-1220-1.