: Mit Hendln in den Kampf gegen Broiler
Die Wienerwald-Kette will Ostdeutschland flächendeckend mit ihren Hähnchenbratereien überziehen ■ Aus Berlin Christine Berger
Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, in denen Sie sich manchmal in der ehemaligen DDR in ein Restaurant verirrten? Zwischen all den Gerichten, die zwar auf der Karte standen aber mit einem bedauernden „Ham wa nich“ von Seiten des Bedienungspersonals aus der Welt gestrichen wurden, gab es immer noch zwei kulinarische Rettungsanker: Milchmasthähnchen mit Sättigungsbeilage oder Broiler mit Salatgarnitur. Beides war im Überfluß vorhanden und landete in jeder Spelunke mehr oder weniger kroß auf dem Tisch. Kein Wunder, daß Geflügel auf Teufel komm raus gefuttert wurde und zwischen Mecklenburg und Sachsen jährlich millionenfach auf dem Grillspieß und in der Pfanne brutzelte. Gummiadler gehörten zum Erfolgsrezept der Versorgungskader.
Und heute? Federvieh gibt es nach wie vor zu futtern. Aber daß es seit neustem nur noch Hähnchen heißt und die Milchmast Schnee von gestern ist, macht den Unterschied. Zu guter Letzt hat jetzt auch das österreichische Hendl dem traditionellen Broiler den Kampf um die östlichen Gefilde angesagt. Die Restaurantkette Wienerwald, seit jeher dem Brutzeln von Geflügel verschrieben, hat am Berliner Alexanderplatz den ersten Fuß in die Tür der ostdeutschen Gockelgastronomie gesetzt. In den Räumen einer ehemaligen Broilerküche wimmelt es jetzt auf der Speisekarte von Wienerwald-Hähnchen in allen Variationen.
Daß die Hendln keine sind, weil sie aus Westdeutschland und nicht aus Österreich stammen, ist nicht weiter tragisch. Schmach für die ostdeutschen Broiler bedeutet dagegen, daß sie der Wienerwald-Geschäftsführung bislang nicht gut genug waren, um als Hendln verbraten zu werden. „Wir haben eben den Anspruch auf eine ganz besondere Qualität“, behauptet Herbert Eder von der Geschäftsleitung. Als Trost sind dafür die meisten der 21 Beschäftigten im neuen Ambiente echt Ost.
Mit der Hähnchenbratstube am Alexanderplatz will die Wienerwald GmbH jedoch nicht nur der Broiler- Kultur zu Leibe rücken, sondern auch dem eigenen hausbackenen Gastronomiestil, der bislang in den 106 deutschen Filialen vorherrschte. Statt des gruftig gutbürgerlichen Eichenimitats soll künftig moderne Eleganz aus Echtholz und vor allem freundlicheres Bedienungspersonal in die Lokalitäten einziehen. Weiteres Ziel ist die konsequente Ausrichtung aufs Federvieh. Zielsetzung des Unternehmens ist denn auch „mehr Kompetenz im Geflügelbereich“ neben einer „stärkeren Profilierung des weltweit führenden Know-hows in der Geflügelzubereitung“.
Daß die Filiale am Alexanderplatz nicht der einzige Angriff auf die Broilergrillstuben sein wird, kann sich mittlerweile jeder Hahn denken, der schon einmal etwas von Expandierung eines Unternehmens vernommen hat. Wienerwalds Kundschafter sind derzeit im ganzen Land unterwegs auf der Suche nach Standorten. Ein flächendeckendes Hähnchen-Restaurantnetz in den neuen Bundesländern ist geplant.
Im Markt der Fast-Food-Ketten McDonalds und Konsorten sieht die Hendl-Firma keine Konkurrenz. Erstens will sie dem übergewichtigen Gast mit kalorienarmen Flattermännern entgegengrillen und zweitens „liegt unsere Zielgruppe bei den Vierzig- bis Fünfzigjährigen“. McDonalds, meint Eder, ziele dagegen eher auf den Appetit jugendlicher Esser. Ihn stört es daher gar nicht, daß in Bälde auch der erste McDonalds den Alexanderplatz mit Burgern bombadiert. Stolz ist er nur darauf, daß Wienerwald am schnellsten von allen Gastronomieketten unterm Fernsehturm ein Dach über dem Kopf gefunden hat.
Als Mission im gesundheitlichen Sinne versteht die Geschäftsleitung zukünftig die Novität einer Salatbar im Mittelpunkt ihrer Restaurants. Sie soll, so die Vorstellung der Geschäftsleitung, vor allem in Ost- Deutschland dazu beitragen, daß die BewohnerInnen endlich Abschied von ihrer einseitigen Currywursternähung nehmen und stattdessen Rohkost gabeln. Angesichts der stolzen Preise, die Wienerwald nicht gerade den Titel einer Volksküche eintragen, dürfte jedoch fraglich sein, inwieweit überhaupt die Mehrheit der Ostdeutschen in der Lage sein wird, ein Hendl zu finanzieren. Immerhin kostet im Wienerwald ein simples halbes Hähnchen ganze acht Mark fünfzig. Den Broiler dagegen gibts vielerorts noch für fünf Mark.
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