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Netzwerk gegen die rechte Gewalt

■ Erstmals fanden am Wochenende in Dresden Antifa-Gruppen, linke Parteien, Initiativen und Betroffene aus Ost und West zu einem "antifaschistischen Ratschlag" zusammen, um über Strategien gegen die...

Netzwerk gegen die rechte Gewalt Erstmals fanden am Wochenende in Dresden Antifa-Gruppen, linke Parteien, Initiativen und Betroffene aus Ost und West zu einem „antifaschistischen Ratschlag“ zusammen, um über Strategien gegen die wachsende Gewalt von Skins und Neonazis zu beraten.

Die „Begleitmusik“ zum bundesweiten Antifa- Treffen in Dresden besorgten die Rechtsradikalen selbst: Etwa 30 rechte Schläger stürmten am Wochenende während des „Antifaschistischen Ratschlags“ das Kulturzentrum „Scheune“, wo sie Mitarbeiter angriffen, die zwei Ausländer vor dem Sturmtrupp schützen wollten. Und plakatgroße Hakenkreuze und Parolen wie „Rotfront verrecke“ und „Hoyerswerda war erst der Anfang“ prangen nicht erst seit Freitag unbeschadet auf den Mauern der Dresdner Innenstadt.

Mehr als 500 AntifaschistInnen trafen sich in der Elbestadt zu einem bundesweiten Kongreß, um über Konzepte gegen die wachsende rechte Gewalt, gegen Rassismus und den alltäglich Faschismus zu beraten. Das Treffen war von der Sächsischen Friedensinitiative, von Demokratie Jetzt, der Vereinigten Linken und autonomen Antifakreisen vorbereitet worden. Erstmals versuchten Antifa-Gruppen, linke Parteien, Initiativen und betroffene BürgerInnen aus Ost und West gemeinsam einen „antifaschistischen Ratschlag“. Zwar hatten sich die TeilnehmerInnen von dem Kongreß kein sofortiges griffiges Instrumentarium erwartet. Doch konnten besonders die regionalen Antifa-Initiativen beim Abschlußplenum über den für sie wichtigen Erfolg sprechen, einander kennengelernt und miteinander ein Stück antifaschistiches Netzwerk geknüpft zu haben.

So wollen Antifa-Gruppen und Flüchtlingsinitiativen politische Forderungen nach einer neuen Asylpolitik artikulieren, Schutzräume für Flüchtlinge schaffen und auch mit Blockaden die Errichtung von Sammellagern verhindern. Ein im Dresdner Ausländerrat arbeitender Iraker stellte in seinem Debattenbeitrag erstmal die europäische Asyldebatte auf den Boden der Tatsachen: nicht die Flüchtlinge wollten sich am gedeckten Tisch der „Ersten Welt“ laben, sondern es werde lediglich die Rechnung für die Ausplünderung der unterentwickelten Welt innerhalb der herrschenden Weltwirtschaftsordnung präsentiert. Sprecher des Berliner antirassistischen Zentrums „Ei“ erklärten anschließend „den Anspruch der Staatsgewalt, über den Aufenthalt von Flüchtlingen willkürlich zu bestimmen, für hinfällig“. Kirchen und öffentliche Institutionen sollten Schutzräume für Verfolgte zur Verfügung stellen.

Gegen eine Pauschalisierung der rechten Gefahr wandte sich die Diskussionsgruppe „Sozialarbeit mit Neonazis?“. Zwei Dresdner Lehrerinnen erzählten, wie sie sich an ihrer Schule — wo sich 80 Prozent der gewählten Klassensprecher als rechtsradikal bezeichnen — für eine Betreuung dieser 12- bis 16jährigen engagieren. Vereinsamung, Entsolidarisierung und die Entfremdung vom politischen System würden diese Jugendlichen besonders kraß zu spüren bekommen. Aber: „Sie haben rechtsextremistische Programme weder im Kopf noch im Bauch. Gefährlich sind die Berater, die sich in diesen Jugendgangs breitmachen und sich dort ihren politischen Nachwuchs heranziehen.“

Die sozialpädagogische Ansätze für den Umgang mit Rechtsradikalen waren in dieser Debatte, an der auffallend viele Ost-Antifas teilnahmen, nicht unumstritten. Ihnen seien Grenzen gesetzt in einem Umfeld, das rechtsextremistische Programmatik schrittweise in den Rang von Regierungspolitik erhebe, so ein Sozialarbeiter aus Dresden. „Die Gesellschaft kann ich vorläufig nicht ändern“, bedauerte er, „aber ich kann auf die Cliquen zugehen, mit ihnen Aktionen machen, die von der Gewalt wegführen.“ Wer sich von Bomberjacken und Glatzen abwende und behaupte, Sozialarbeit könne nichts bewirken, „der muß die Verantwortung tragen, wenn das Vakuum sozialer Geborgenheit durch neonazistische Kameradschaften ausgefüllt wird.“

Angst und Vorurteile sind es, die den gesellschaftlichen Dialog über Rechtsradikalismus und Fremdenhaß behindern. Das bestätigte ein Schüler, der nach dem Pogrom von Hoyerswerda in seiner Schule ein Forum mit AusländerInnen und Kirchenvertretern organisieren wollte und dieses vom Schulleiter untersagt bekam. Soziale Projekte gegen eine politische Radikalisierung seien, wie die Runde für Ost und West bestätigte, noch immer die Ausnahme. Wie der Dresdner Jugendclub PeP, der sich als „gewaltfreier Raum“ für rechte wie linke Jugendliche einen Namen gemacht hat. Aber auch dort „knistert“ es. Der zuständige Sozialarbeiter warnte vor Illusionen. Für ein ähnliches Projekt will die vom Neuen Forum initiierte „AG Vorbeugung“ mit Jugendlichen eines Dresdner Neubaugebietes die Kommune zur Rede und zur Kasse bitten: Auf dem Gelände eines stillgelegten Betonwerkes soll ein Jugendzentrum gebaut werden — von den Jugendlichen selbst. Es wäre das erste Kulturzentrum inmitten der zehngeschossigen Häuserzeilen, wo längst eine straff geführte Kameradschaft ihr Aktionszentrum aufgebaut hat.

Für das Netz antifaschistischer Arbeit konnten in Dresden neue Fäden geknüpft werden. Das war der praktische „Ratschlag“, den die TeilnehmerInnen mit nach Hause nehmen konnten. Für den Dialog linker, antirassistischer und christlicher Initiativen blieben jedoch viele Fragen offen. Referate über Neonazismus in der DDR und über die aktuelle Situation in Dresden blieben flüchtige Skizzen. Von vornherein ausgeblendet blieben konservative Positionen zum Neofaschismus. Zwar sei dahingestellt, ob es wirklich etwas gebracht hätte, wenn der Dresdner Oberbürgermeister einer Einladung gefolgt wäre. Aber mit Landesvater Biedenkopf, seinem neuen Innenminister oder anderen konservativen „Querdenkern“ bräuchten die Debatten der deutschen Antifas immerhin nicht im eigenen Saft zu schmoren. Detlef Krell, Dresden

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