PORTRÄT: Der älteste Enkel will ganz nach oben
■ Der ehemalige Hamburger Bürgermeister und jetzige Schatzmeister Hans-Ulrich Klose ist der dritte Kandidat für den SPD-Fraktionsvorsitz/ Er tritt gegen Herta Däubler-Gmelin und Rudolf Dreßler an
In der SPD geben oft erst überstandene Niederlagen die Weihen für hohe oder höchste Ämter. So gesehen hat sich Hans-Ulrich Klose, der jetzt neben Herta Däubler-Gmelin und Rudolf Dreßler für den Fraktionsvorsitz kandidiert, ausgewiesen. Sein bitterer Einbruch in Hamburg, wo er nach dem Rücktritt als Bürgermeister nicht einmal mehr zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt wurde, liegt zehn Jahre zurück.
Die Konkurrenz um die Vogel-Nachfolge wird mit Kloses Bewerbung jedenfalls spannender. Weil Klose wie die leicht favorisierte Däubler-Gmelin zur Modernisierungsströmung zählt und in ihrem Terrain fischt, fallen Prognosen über den Wahlausgang nun erst recht schwer. Der ehemalige Erste Bürgermeister Hamburgs hat im Gegensatz zu seinen MitbewerberInnen Regierungserfahrung — für jemanden, der die Opposition gegen den designierten CDU-Fraktionsvorsitzenen Wolfgang Schäuble und Kanzler Kohl anführen soll, bestimmt kein Nachteil.
Hans-Ulrich Klose, Jahrgang 1937, Jurist, machte seine erste sozialdemokratische Karriere im Hamburg der siebziger Jahre. Zunächst Verfechter eines moderaten Mitte-Kurses (Wahlkampfmotto: „Gutes bewahren— Besseres schaffen“), geriet er 1978 mit Helmut Schmidt aneinander, als er den Sinn der Berufsverbote öffentlich bezweifelte. Brokdorf war für Klose Anlaß zum Umdenken und schließlich Grund für seinen Absturz: Die Nichtbeteiligung Hamburgs am unterelbischen AKW war nicht durchsetzbar.
Die nächste Karriere verlief zunächst weniger spektakulär. Der tief getroffene Klose übernahm den Wehner- Wahlkreis, ging in den Bundestag und fiel 1987 wieder mit einem echten Coup auf. Gestützt von Lafontaine und zur offenen Verärgerung des rechten Parteiflügels ließ sich Klose zum Schatzmeister der SPD wählen. Klose saß damit an einer Schaltstelle der Partei, aber auch einer, die nicht nur positives Profil einbringt. Vor allem das Ende des traditionsreichen 'Vorwärts‘ zeigt das Stehvermögen Kloses. Was jeder in der Partei hinter vorgehaltener Hand und ohne Konsequenz zugab, daß nämlich die Zeit der Parteizeitungen und damit auch die des 'Vorwärts‘ vorbei sei — Klose setzte diese Erkenntnis auch praktisch durch.
Politiker nur für das Parteiinterne ist Hans-Ulrich Klose in seiner Funktion nicht geworden. Als stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe diskutierte er das Bundestagswahlprogramm Fortschritt 90 mit, das — Stichwort ökologische Marktwirtschaft — strategische Fragen anpackte. Zur Zeit des Golfkriegs fiel Klose aus dem linken sozialdemokratischen Rahmen, weil er die Haltung der deutschen Abstinenz mißbilligte.
Klose ist, wenn man so will, der älteste Enkel. Die Regierungserfahrung, die Schröder, Engholm, Lafontaine jetzt sammeln, hat er bereits in den siebziger Jahren gemacht. Von Däubler-Gmelin und Dreßler unterscheidet ihn vielleicht auch, daß sein Ehrgeiz über den Fraktionsvorsitz nicht hinausgeht.
Tissy Bruns, Bonn
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