: PDS-Frau soll nicht Richterin werden
■ Diepgen will Votum des Richterwahlausschusses kassieren/ Justizsenatorin hat sich für Kandidatin ausgesprochen und will sich für sie einsetzen
Berlin. Über die Nominierung eines Mitglieds der PDS für das Richteramt droht ein neuer Streit in der Regierungskoalition auszubrechen. Die Kandidatin war bereits vom Richterwahlausschuß für die Anstellung vorgeschlagen worden. Ursprünglich sollte sie auf der gestrigen Senatssitzung zusammen mit mehreren Kollegen zur Richterin auf Probe ernannt werden. Doch auf Veranlassung des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU) verschob der Senat die Entscheidung um eine Woche. Bis dahin will Diepgen juristisch prüfen lassen, welche Möglichkeiten er hat, das Votum des Richterwahlausschusses zu revidieren. Nach der Gesetzeslage nimmt der Richterwahlausschuß die Auswahl der Richter vor, der Senat ernennt sie jedoch. Senatssprecher Heußen hält es für »nicht überinterpretiert«, aus diesem Vorgehen Diepgens zu schließen, daß die Tendenz im Senat besteht, die Frau wegen ihrer politischen Einstellung nicht zu nominieren.
Die Juristin war bereits, bevor sie in die PDS eintrat, Mitglied der SED gewesen, galt aber als unauffällig. Bereits am Montag hatte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Andreas Gram, gefordert, daß sie »in unserem demokratischen Justizwesen nichts zu suchen« habe. Das Richtergesetz schreibe nämlich vor, daß nur Bewerber in Frage kämen, die gewährleisten, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. Dies sei bei dieser Bewerberin nicht der Fall, sie sei für das Amt der Richterin ungeeignet.
Als das dreizehnköpfige Gremium sich für die Frau aussprach, hat angeblich auch ein CDU-Mitglied der PDS-Juristin seine Stimme gegeben. Der Richterwahlausschuß wird vom Abgeordnetenhaus für die Dauer einer Legislaturperiode gewählt. Ihm obliegt zur Zeit die Überprüfung sämtlicher Richter aus Ost- Berlin, die bereits zu DDR-Zeiten tätig waren und wieder übernommen werden wollen. Der Ausschuß fällt seine Entscheidung völlig unabhängig aufgrund der Aktenlage und der Personenbefragung. Die Justizverwaltung gibt zu jedem Kandidaten ein Votum ab, nachdem mehrere Bewerbungsgespräche mit ihm geführt wurden.
Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) war gestern bei der Justizministerkonferenz der Länder und konnte an der Senatssitzung nicht teilnehmen. Wie ihr Staatssekretär Detlev Borrmann erklärte, will sie bei der nächsten Senatsrunde am kommenden Dienstag den Fall selbst vertreten. Für sie ergriff gestern ihr Partei- und Senatskollege, Jugendsenator Thomas Krüger, das Wort. Er sei, so Krüger zur taz, mit Limbach einer Meinung, daß rein fachlich erwogen werden müsse, ob jemand für das Richteramt geeignet sei und nicht nach Parteizugehörigkeit — zumal die Verfassungswidrigkeit dieser Partei nicht festgestellt sei.
Auch der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Hans-Georg Lorenz, sprach sich dagegen aus, daß der Senat die Entscheidung des Richterwahlausschusses kassiert. Es ginge um eine fachliche Eignungsprüfung, die dieses Gremium fälle. Dieter Rulff
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