: Mauerweg statt Mauer weg!
■ Bündnis 90/ Grüne betätigen sich als Restehüter des »Antifaschistischen Schutzwalls«
Die Mauer — oder was davon noch übriggeblieben ist — bewegt sich weiter im freien Fall: Nicht nur hier hat der Senat kein Konzept, wie er mit der Hinterlassenschaft des Kalten Krieges umgehen will, deshalb wollen ihm die Alternativen auf die Mauersprünge helfen. »Keine Bohne wollen wir die Mauer wiederhaben«, wehrt der kulturpolitische Fraktionssprecher Albert Eckert ab, aber sie wollen auch keine Beerdigung erster Klasse für die spärlichen Reste.
Wobei grundsätzlich zwischen der Mauer in der Stadt und der Mauer drumherum unterschieden werden muß: Die Stadtmauer gehört nämlich zum größten Teil den Bezirken (Ost), die Umlandmauer dagegen dem Land Brandenburg. Dort hat sich schon eine rege Freizeitkultur entwickelt: Joggen, Radfahren, Spurensuche. Um diese friedliche Nutzung nicht zu verunmöglichen, dürfe der Mauerstreifen weder verkauft noch bebaut werden, statt dessen soll der ehemalige Kolonnenweg der DDR- Grenzposten erhalten, ergänzt und markiert werden. Und nicht nur der Kolonnenweg, sondern alles, was zur Mauer dazugehörte: Stacheldraht, Betonpfeiler und Wachtürme. Derartig naturbelassen könnte der Mauerstreifen zur freundlichen Verbindung zwischen Berlin und Brandenburg werden.
Für die innerstädtischen Mauerreste samt dem dazugehörigen Mauerstreifen machen sie sich nicht ganz so große Hoffnungen: Ein Mauerpark ist beim jetzigen Investitionsdruck völlig unrealistisch. Hilfsweise soll ein rund 15 Zentimeter breiter Metallstreifen auf dem Boden den realen Mauerverlauf nachzeichnen. Aus Metall deshalb, weil dieses erstens ein robustes Material darstellt und zweitens die Straßenverkehrsordnung kaum etwas anderes zuläßt.
Bei den innerstädtischen Mauerresten fordern sie einen sofortigen Abrißstopp: Es sei völlig unsinnig, von den noch erhaltenen 200 Metern Mauer an der Bernauer Straße über die Hälfte abzureißen, wie es der Senat vorhat, denn das beeinträchtige die Gruselwirkung erheblich.
Diese Gruselwirkung würde der Senat am liebsten vermusealisieren: Die Mauer, nachgebaut als Disney-Land, so gehe es nicht. Statt eines Horrorszenario stellen sie sich das stille Gedenken vor — am besten an Ort und Stelle. Mit einer kleinen Ausnahme, dem »Haus am Checkpoint Charlie«. Ausgerechnet diese Stätte des kältesten aller Kriege will das Bündnis erhalten — als Kuriosum: Wenn sonst schon nichts geblieben ist. Lutz Ehrlich
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