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Fäkalienhafte Entgleisung

■ Udo Riglewski schied in der 2.Runde beim Moskauer Tennisturnier aus — zum Glück!

Moskau (taz) — Udo Riglewski ist ausgeschieden. Am 5.11. war seine Niederlage besiegelt — eine Niederlage allerdings, die von peinlichen Äußerungen begleitet war. Es ist ja nichts Besonderes, wenn ein Tennisspieler anfallartige Wutäußerungen von sich stößt. Das Vokabular von Udo Riglewski allerdings, einem Spieler des deutschen Davis-Cup- Teams, läßt einem Kaviar und Champagner wieder hochkommen: „Ihr Kacker“ nannte er die Balljungen, und gespielt wurde beim „Kack- Volk“ in Rußland. Vielleicht hat sogar Riglewski recht, daß die Moskauer Balljungen zu ungeschickt über den Platz flitzen. Weil sie es zum ersten Mal machen. Diese Tennis-Woche erfüllt sie mit Stolz und Privilegien. Sie bekommen einen Trainingsanzug und Essen vom feinsten. Schon in der nächsten Woche müssen die Burschen wieder stundenlang auf ihre Mamas warten, die ihnen vielleicht Butter und Wurst auf den Tisch servieren. Vielleicht müssen sie auch selbst einen halben Tag lang Schlange stehen, um ein Brot zu ergattern. Einen Super-Mann aus dem „freien Westen“ sollte das nicht stören bei den Summen, die er für ein ödes Tennismatch an Geld nachgeschmissen bekommt. Es sind nicht alle Russen gemeint, sondern erst mal nur die Seitenrichter, wird Riglewski seine Ausfälle hinterher relativieren. Aber der Tennis-Udo sagte nicht: „Ihr Kack-Seitenrichter“, sondern eben „Ihr Kack-Volk“. Das war im ersten Satz, als aus Riglewskis blitzschnellen Steps, seinen kraftbetonten Vorderhandschlägen Bewegungen eines geschwängerten Mehlsacks zu werden drohten. Riglewski soll nicht gleich als Rassist angeprangert werden. Zutreffender wäre die Bezeichnung „Psychopath, der in der Hoffnung, nicht gehört zu werden, seine frühkindlichen Traumata durch rassistische Äußerungen auf dem Tennisplatz kompensieren will“. Vielleicht tut es ihm auch schon leid, und er sitzt im Hotelzimmer und bedauert alles. Vielleicht ist er auch in einer Valuta-Bar, winkt mit DM-Scheinen und genießt die Freundlichkeit der Einheimischen. Dazu muß er gar nicht Riglewski heißen, nicht Tennisspieler sein und auch nicht mit DM-Scheinen winken. Gastfreundschaft ist nämlich ein Grundpfeiler dieses Volkes. Deshalb wird es Riglewski auch eher durch Moskau tragen als ihm seine Entgleisungen nachzutragen. Thomas Schreyer

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