: BND-Deal nur ein Kavaliersdelikt?
■ Noch läßt die SPD Stoltenberg eine Galgenfrist zur Erinnerung/ Falls Abschlußbericht über Waffenlieferungen unklar bleibt, wollen die Sozialdemokraten Untersuchungsausschuß einsetzen
Bonn (taz) — Die SPD sieht das Verteidigungsministerium inzwischen im Zentrum der Panzeraffäre, läßt aber den Beteiligten Zeit zur Klärung. Erst in drei Wochen, wenn der Abschlußbericht der Bundesregierung über die undurchsichtigen Waffenschiebereien von Bundesnachrichtendienst (BND) und Hardthöhe vorliegt, will die SPD entscheiden, ob ein Untersuchungsausschuß eingerichtet werden soll. Das erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Werner Kolbow, gestern auf einer Pressekonferenz.
Dabei weisen die Tatbestände, die in der Sitzung des Verteidigungsausschusses zutage gefördert wurden, eher auf dringlichen Klärungsbedarf hin. Stoltenberg hatte eine weitere Waffenlieferung aus NVA-Beständen zugegeben. Bereits am 16. Oktober waren zwei „Schiff-Schiff-Flugkörper“ an Israel gegangen. Wie Werner Kolbow weiter informierte, hat Stoltenberg vor dem Ausschuß zugestanden, es habe „weitere Waffenlieferungen durch Lufttransporte von mehreren Flugplätzen ohne Wissen des Verteidigungsministers“ gegeben.
Aber welche Waffen wann, wo und an wen losgeschickt wurden, diese Frage konnte der Verteidigungsminister mangels Wissen nicht beantworten. Offen blieb auch, wer auf der „Hennig-Liste“ fehlt. Israel hatte auf dieser Liste von 26 Ländern, die nach Auskunft des Verteidigungsministeriums an NVA-Waffen interessiert waren, nicht gestanden. Eventuell „eine Handvoll“ anderer Länder könnte laut Kolbow dazukommen.
„Äußerst unbefriedigend“ kommentierte denn auch der SPD-Sprecher die Antworten von Stoltenberg und vermutet, daß erst „die Spitze des Eisberges“ sichtbar ist. Klar ist nach der Sitzung des Verteidigungsausschusses nur, daß hinter dem Rücken der politischen Kontrollinstanzen zwischen BND und Verteidigungsministerium Deals der in Hamburg aufgeflogenen Art nicht unüblich waren. Eine „Kavalierssituation“, bemängelte Kolbow, sei unter dem verantwortlichen Minister entstanden, in der die Dienstaufsicht des Generalinspekteurs versagte, Weisungen des Staatssekretärs und Beschlüsse des Bundessicherheitsrats mißachtet wurden. So furchtbar schlimm scheint der zuständige Minister das nicht zu finden: Nach Schilderung Kolbows sieht Stoltenberg lediglich „Fehler im Regierungsverwaltungshandeln“.
Diesen Mangel an Verantwortungsbewußtsein kritisierte Kolbow kräftig und hob BND-Chef (und Parteifreund) Porzner als löbliches Gegenbeispiel hervor. Es ginge nicht an, daß der beamtete Porzner sich seiner Verantwortung stelle, während die politische Führung die Zuständigkeit bei Abteilungsleitern ansiedele. Ob die Übernahme politischer Verantwortung denn genüge, und nicht andere Konsequenzen verlangt seien, darauf antwortete Kolbow unpräzise. Vielleicht müsse Porzner nach Vorlage des Abschlußberichts auch weitere Konsequenzen ziehen, für Stavenhagen werde die Kontrollierbarkeit der Geheimdienste zur Frage des politischen Überlebens und: „Wenn ich Herr Stoltenberg wäre, wäre ich schon zurückgetreten.“ Aber drei Wochen Zeit können sich die Herren schon noch lassen. Tissy Bruns
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