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Strahlende Geschäfte für die Wismut AG

■ Unter der Deckmäntelchen der angeblichen Sanierung holt die bundeseigene Wismut AG nach wie vor Uranerz aus ihren Halden und Stollen. Vermarktet wird der strahlende Stoff von dem französischen...

Strahlende Geschäfte für die Wismut AG Unter der Deckmäntelchen der angeblichen Sanierung holt die bundeseigene Wismut AG nach wie vor Uranerz aus ihren Halden und Stollen. Vermarktet wird der strahlende Stoff von dem französischen Unternehmen Interuran, einer Tochterfirma des Pariser Energiekonzerns Cogema.

VON BARBARA GEIER UND BÄRBEL PETERSEN

Die ostdeutsche Uranbergbaugesellschaft Wismut AG fördert und verkauft trotz angeblicher Einstellung der Förderung weiterhin Uranerz. Offiziell ist seit dem 1. Januar dieses Jahres Schluß. Tatsächlich sind aber in der ehemals sowjetisch-deutschen Aktiengesellschaft, die sich heute im Eigentum des Bundes befindet, seit dem 11. März dieses Jahres rund 77 Tonnen Uranerzkonzentrat gefördert und an die französische Vermarktungsfirma Interuran geliefert worden. Diese Angaben sind einem Berliner Filmteam, das für den Deutschen Fernsehfunk (DFF) eine Dokumentation erstellt hat, von der internationalen Atomenergiebehörde Euratom bestätigt worden. Interuran mit Sitz in Saarbrücken ist eine Tochtergesellschaft des französischen Energiekonzerns Cogema und der Energieversorgungsunternehmen Badenwerk und EVS, die beide auch auf dem Uransektor tätig sind.

Die Uranerzschürfungen verstekken sich unter dem Mantel des „Sanierungsplans“, den das Bundesumweltministerium allein im Jahr 1991 auch noch mit 830 Millionen Mark bezuschußt. Mittlerweile scheint das Töpfer-Ministerium Skrupel entwickelt zu haben, ob diese Gelder im Sinne des Umweltschutzes ausgegeben werden. Aufkeimendes Mißtrauen gegenüber Wismut hat die Bonner veranlaßt, ein eigenes Sanierungsgutachten in Auftrag zu geben. Die Wismut, früher einer der größten Uranproduzenten der Welt, hat in den vergangenen 40 Jahren schwere Umweltschäden in Thüringen und Sachsen verursacht. Sämtliche Sanierungskosten werden auf rund 15 Milliarden Mark geschätzt.

Sanieren heißt auch Uranabbauen

Was allerdings verharmlosend als „Sanierung“ hingestellt wird, erstreckt sich im Augenblick nicht nur auf Rekultivierungsmaßnahmen für weitgehend verstrahltes Erdreich, sondern bedeutet im Klartext vor allem fortgesetzter Uranabbau „aus umwelt- und bergtechnischen Gründen“, wie es im Bonner Wirtschaftsministerium und bei der Wismut heißt. „Um Schäden zu begrenzen, mußte auf der Grundlage geomechanischer Gutachten noch in geringem Umfang Abbau durchgeführt werden“, heißt es irreführend in der grammatischen Vergangenheitsform bei Wismut. Und weiter: „Um schädliche Gebirgsspannungen zu vermeiden, müssen im Südteil die Bergarbeiten noch bis Ende 1992 weitergeführt werden.“

Daß diese Schürfungen wahrscheinlich mindestens bis 1994 andauern werden, geht aus einem bis dahin laufenden Agenturvertrag der Wismut AG mit Interuran hervor. Der Vertrag enthält bereits eine Option auf Verlängerung über diesen Zeitpunkt hinaus. Daß „Restbestände von Uran rausgeholt und kommerziell verwertet“ werden, hat gestern auch ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber der tazeingeräumt.

Doch Cogema ist nicht nur über Interuran an dem Profit der fortgesetzten Uranförderung beteiligt. Am 18. Januar dieses Jahres gründeten die Wismut, Interuran und die Cogema Uran Services „zur Planung und Durchführung von Arbeiten im Umweltschutz sowie Sanierung von Bergbauanlagen“ (!) gemeinsam die „Gesellschaft für Dekontaminierung, Sanierung, Rekultivierung mbH“ (DSR), angeblich ebenfalls mit Sitz in Saarbrücken. Über die Aufgaben dieser Neugründung wollte weder das Bundeswirtschaftsministerium, noch Wismut-Sprecher Runge genaues wissen.

Die DSR selbst, noch in keinem Handelsregister eingetragen, verfügt bislang über kein Büro, wird sich nach Auskunft eines Mitarbeiters von Interuran jedoch „möglichst bald“ in Gera niederlassen. Mit dem Eintrag ins Handelsregister werde gewartet, bis die geplante Gesellschaft kartellrechtlich überprüft sei. Auf Nachfrage der taz erklärte ein Sprecher des Bundeskartellamtes allerdings, daß diese Prüfung schon seit einiger Zeit abgeschlossen sei. Es gebe — im Blick auf die DSR — keine Bedenken.

Dieselbe Begründung, es liege noch kein Bescheid des Bundeskartellamts vor, behindert angeblich die formale Gründung einer zweiten „Sanierungsgesellschaft“, die Wismut diesmal mit dem Essener Stromgiganten Steag ins Leben rufen will. Auch hier ist, wie die taz auf Anfrage erfuhr, die Prüfung schon seit einiger Zeit beendet — und „unbedenklich“. Nach Auskunft von Steag-Sprecher Weber existiert bislang nur eine Arbeitsgemeinschaft, die sich „vor allem“ mit der Sanierung des Aufbereitungsstandorts Crossen beschäftigen will. Wann und ob diese „Arbeitsgemeinschaft“ jemals in eine ordentliche Gesellschaft überführt wird, wußte er nicht zu sagen.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat vor zwei Monaten auf der Grundlage eines 3.000 Seiten langen Sanierungskonzeptes von Wismut die Firma „Uranerzbergbau Wesseling“ mit einem Gutachten über die anstehende Sanierung beauftragt. Uranerzbergbau Wesseling ist das zweitgrößte Uranförderunternehmen der Bundesrepublik und wird teilweise von der Bundesregierung finanziert. Diese Gutachter hatten ein Verfahren entwickelt, aus verseuchtem Metallschrott des Brennelementewerks Hanau Uranoxid zu extrahieren. Wegen zu hoher Kontamination war es dann allerdings abgelehnt worden. Es steht zu befürchten, daß in dem beauftragten Sanierungsgutachten für Wismut genau dieses Verfahren wieder auftaucht. Die Wesselinger Expertise wurde gestern dem Wirtschaftsministerium übergeben.

Wiederherstellung nuklearer Lagerstätten?

Höchst interessant sind unterdessen die Äußerungen von Daniel Comte, eines Mitarbeiters der Marketingabteilung von Cogema in der genannten Fernsehsendung des DFF am 5. November. Im Hinblick auf das Interesse seines Konzerns an Wismut erklärte Daniel Comte in die Kamera: „Cogema hat gegenüber Ostdeutschland verschiedene Ziele. Es geht bei diesen Zielen in Verbindung mit der Firma Interuran um die Wiederherstellung der nuklearen Lagerstätten der Wismut in den neuen Bundesländern. Um an dem Wiedereinsatz der nuklearen Lagerstätten beteiligt zu sein, wurde in Verbindung mit der Cogema, Interuran und Wismut ein eigenes Unternehmen gegründet.“

Die Franzosen sind seit der geplanten Schließung ihrer Wiederaufbereitungsanlage in La Hague hektisch auf der Suche nach Alternativen. Soll ihr Atommüll in Zukunft den angeblich dichtgemachten Wismut-Aufbereitungsstandorten Seelingstädt und Crossen untergeschoben werden?

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