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Die EG kann Krause noch bremsen

Unabhängig von deutschen Entscheidungen könnte die EG dem Beschleunigungsgesetz von Betonminister Krause noch einige Stolpersteine in den Weg legen/ Umweltverträglichkeitsprüfung angemahnt  ■ Aus Brüssel Michael Bullard

Gestern noch wollte der Bundestag das seit Monaten heftig umstrittene sogenannte Beschleunigungsgesetz verabschieden. Am 25. November steht es noch einmal im Bundesrat auf der Tagesordnung. Doch das Gesetzeswerk, mit Hilfe dessen Verkehrsminister Krause die neuen Bundesländer weitflächig asphaltieren will, stößt anderswo auf unerwarteten Widerstand — in Brüssel. Umweltkommissar Carlo Ripa di Meana hat den Rechtsdienst beauftragt, mögliche Schritte zu prüfen.

Der italienische Kommissar befürchtet, daß mit dem Beschleunigungsgesetz ein Präzedenzfall geschaffen wird. Schließlich sollen damit die von der EG vorgeschriebenen Prüfungen der Umweltverträglichkeit eines Bauprojekts ausgesetzt werden. Im Falle des Beschleunigungsgesetzes träfe dies zwar nur für die fünf neuen Bundesländer zu. Einige der alten, wie Bayern oder Schlweswig-Hohlstein, haben jedoch schon Interesse an einer solchen Ausnahmegenehmigung für ihre eigenen Autobahnprojekte bekundet.

Gegen den Vorläufer des Beschleunigungsgesetzes, das Bundesfernstraßenausbaugesetz, erwägt Ripa di Meana sogar, Klage zu erheben, berichtet die Grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer. Grund: „Es ließe keine Öffentlichkeitsbeteiligung und Änderungsmöglichkeit bei der Linienführung der Verkehrswege zu. Dem Geist der EG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung folgend, müsse jedoch bereits die Bedarfsermittlung als auch die Erstellung von Verkehrsprognosen unter Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden und die Linienführung änderbar sein.“

Daß Ripa di Meana wirklich bereit ist, der Aushöhlung der EG-Umweltgesetze einen Riegel vorzuschieben, demonstrierte der Umweltkommissar Mitte Oktober: Wegen sieben britischer Baumaßnahmen erhob er vor dem europäischen Gerichtshof in Luxemburg Klage. Betroffen sind nicht nur der Ausbau einer Autobahn und der Bau eines neuen Bahnhofs in London für die Hochgeschwindigkeitszüge, die Großbritannien durch den Tunnel mit dem Kontinent verbinden werden. Eingestellt werden soll auch der Bau einer Brücke bei London, deren südliche Zufahrt durch einen 8.000 Jahre alten Wald führen würde. In all diesen Fällen hätten Studien über die Auswirkungen auf die Umwelt erstellt werden müssen. Weil dies trotz mehrfacher Aufforderung nicht passierte, zieht die EG-Kommission jetzt vor Gericht. Dazu könnte es auch im Falle des Bundesfernstraßenausbaugesetzes kommen.

Die Klage, so Breyer, betreffe aber implizit auch das Beschleunigungsgesetz. „Wenn beim Fernstraßenausbau bereits bei der Bestimmung der Linienführung eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung gefordert wird, muß dies logisch zwingend auch für die Bestimmungen des Beschleunigungsgesetzes gelten“.

Trotzdem hatte der Generaldirektor der Umweltabteilung in der EG- Behörde, Jan Brinkhorst, den deutschen Verkehrsplanern bereits im Frühjahr Zustimmung signalisiert. In einem Schreiben vom 8. Mai an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Wolfgang Gröbl, geht er davon aus, „daß die Konzentration verschiedener Verfahrensstufen nicht im Widerspruch zu den Erfordernissen der Umweltverträglichkeits- Richtlinie steht“. Diese inoffizielle Zustimmung, auf die die Bonner gerne verweisen, scheint nun man in Brüssel zurücknehmen zu wollen. In einem Gespräch mit der taz erklärte der für Verkehr zuständige EG- Kommissar Karel van Miert: „Es stimmt schon, daß wir gesagt haben, ok, die Lage ist so, daß man hier doch schnell vorangehen muß, aber nicht ohne die Umweltdimension zu berücksichtigen. Ob das in Übereinstimmung ist mit Gemeinschaftsverpflichtungen im Umweltbereich, das muß man noch einmal überprüfen“.

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