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Auch TürkInnen finden den Ausschaltknopf

■ Kontroverse Anhörung zur Zulassung des türkischen Staatsfernsehens TV 5 im Bremer Kabelnetz

Bremen sträubt sich als einziges Bundesland, das türkische Fernsehprogramm TV 5 ins bremische Kabelnetz einzuspeisen. Der Grund: Nach dem Paragraphen 33 (Absatz 2) des Bremischen Landesmediengesetzes darf kein weiterverbreitetes Rundfunkprogramm einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft oder einer Weltanschauung dienen. Laut dreier türkisch sprechender Lehrer und Sozialarbeiter, die der Chef der Bremer Medienanstalt, Wofgang Schneider, für die Begutachtung und Beurteilung des türkischen Programms beauftragt hat, gibt das Programm TV 5 ausschließlich die Meinung der türkischen Regierung wieder.

Gestern um 15 Uhr fand im Bremer Kolping-Haus eine öffentliche Anhörung zum türkischen Fernsehprogramm TV 5 statt. An der von über 70 TürkInnen besuchten, lebhaften Anhörung nahmen auf dem Podium teil: Professor Ladeur, Rundfunkrechtler an der Universität, Zafer Ilgar, Generalbevollmächtigter der türkischen Radio-Fernsehanstalt in der BRD, Ahmet Mutlu, Betriebsrat beim Großbetrieb Bremer Vulkan sowie ein türkischer Rundfunk-Analytiker aus Hannover.

Schon Wochen vor der Anhörung hatte es unter den TürkInnen in Bremen viel Wirbel gegeben. Es sprach sich herum, daß TV 5 in allen anderen Bundesländern zu sehen war, nur nicht in Bremen. Höchstens einige türkische Teestuben in Bremen mit Satelliten- Schüsseln auf dem Dach empfingen TV 5. Gegen Eintrittsgelder konnten Jugendliche sich einige Sendungen, vor allen Dingen Fußballübertragungen, ansehen.

Die TürkInnen sammelten Unterschriften, um ihren Willen nach landessprachlichen Sendungen (TV 5) dem Landesrundfunkausschusses zu verdeutlichen. Sie wollten darauf hinweisen, daß das Programm, egal in welcher Form, ihnen ein bißchen Heimat vermittelt. Ca. 6.000 Unterschriften wurden in kurzer Zeit gesammelt. Eine beachtliche Zahl: Würde man die Kinder nicht mitzählen, hätte jeder dritte Türke in Bremen unterschrieben. Insgesamt leben in der Stadtgemeinde ca. 22.000 TürkInnen.

In der Anhörung vertraten türkische Betriebsräte vom Bremer Vulkan, von Klöckner und von Daimler Benz die 6.000 TürkInnen, die unterschrieben hatten. Der Vulkan-Betriebsrat auf dem Podium, Ahmet Mutlu, machte klar, daß sich seine Landsleute als Steuern und Fernsehgebühren zahlende Bürger ungerecht behandelt fühlen: „Sind wir Menschen dritter Klasse?“. Der türkische Rundfunk-Analytiker Berke fragte: „Sind die türkischen Bürger in Bremen weniger mündig, als in den anderen Bundesländern? Meinen Sie, die türkischen Bürger in Bremen wissen nicht, daß die Fernsehgeräte einen Knopf haben, den man aus- oder umschalten kann?“

Der Vertreter des Senders gab zu bedenken, die Türkei sei nach den Wahlen im Umbruch, auch im türkischen Sender gäbe es dadurch demokratische Veränderungen. Die bremische Landesmedienanstalt könne gegen die Sendung stimmen, doch dann würde man das große Interesse der türkischen Bürger zurückstellen und nicht berücksichtigen. Solange es keine andere Alternative gäbe, müsse das Programm eingespeist werden. Die TV-Gestaltung solle jedem Land selbst überlassen werden.

Die anwesenden TürkInnen kritisierten den „Dachverband der Ausländer-Kulturvereine“ (DAB), der sich dagegen ausgesprochen hatte, TV 5 in Bremen einzuspeisen. Sie fühlten sich durch den DAB nicht vertreten. Trotz heißer Disskusion traf der Landesrundfunkrat keine Entscheidung, der Termin für die Entscheidung wurde vorweg auf einen anderen Tag festgelegt. Sema Aktaș

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