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Zugführer im Schlafwagen

■ Fortuna Düsseldorfs Trainer Rolf Schafstall kommentierte die 1:4-Schlappe beim 1.FC Köln

Köln (taz) — Eine halbe Minute lang starrte er sinnentleert auf die zwei Mikrofone, die im Presseraum des Köln-Müngersdorfer Stadions vor ihm aufgebaut waren. Es entstand der Eindruck, als ob Rolf Schafstall, Trainer der Düsseldorfer Fortuna, gar nicht bemerkt hatte, daß er um seinem Kommentar zum eben beendeten Bundesliga-Spiel gegen den 1.FC Köln gebeten wurde. Vielleicht dachte Rolf Schafstall aber auch nur darüber nach, inwiefern er überhaupt irgendetwas zu sagen habe oder ob es in diesem Moment nicht das beste sei, einfach zu schweigen.

Aber Rolf Schafstall ist einer, der nicht weicht, wenn es unangenehm wird, da er — zumindest in seiner Laufbahn als Fußballtrainer — immer dort gearbeitet hat, wo es ohnehin nur darauf ankam, das Schlimmste zu vermeiden. Ein Mann also, für den stets selbstverständlich war, die Bundesliga-Tabelle von unten nach oben zu lesen. Weil Rolf Schafstall und sein Team immer ganz unten mit dabei waren. In dieser Saison heißt die Mannschaft Fortuna Düsseldorf und zwei Spieltage vor Abschluß der Hinrunde steht sie auf dem denkbar schlechtesten Platz der Liga, nämlich dem letzten.

Für Schafstall also nichts Neues und so blieb er vor versammelter Medienwelt gewohnt standhaft. Er holte einmal tief Luft und murmelte zunächst vor sich hin, daß es gar nicht so einfach sei, nach solch einem Spiel etwas zu sagen. Dann hob seine Stimme merklich an, wurde fester, und in der Folge begann der 54jährige vor allem davon zu reden, wie allein man ihn gelassen habe in diesem Spiel. Wie er so, sichtlich um das rechte Wort bemüht, von Satz zu Satz schritt, setzte sich der Eindruck fest, Rolf Schafstall und die vom ihm betreuten Profis waren an diesem Nachmittag keine Einheit, sondern einfach nur ein gescheitertes Arbeitsverhältnis.

In seinem resignativen Fazit, das leerste Existenskampf-Phrasen („Man braucht elf Mann mit dem Herz am richtigen Platz“) enthielt und von riesengroßer persönlicher Enttäuschung geprägt war, ging Rolf Schafstall auf Distanz zu seiner Mannschaft. Seine Jungs hätten sich nicht aufgebäumt gegen die drohende Niederlage und das sei das Schlimmste im Abstiegskampf. Besonders deutlich wurde der Riß zwischen ihm und seinem Team, als er einen Werbeslogan der Deutschen Bundesbahn zur Erklärung heranzog: „Alles schläft, einer fährt.“ Die Schlafenden, das waren seine Spieler. Thomas Alofs versäumte es, die 2:1-Führung für Düsseldorf zu erzielen und vier Minuten später empfing die Fortuna- Abwehr in aller Ruhe das 2:1 für Köln durch Maurice Banach. Das war laut Schafstall das eigentliche Knockout.

Bleibt noch zu klären, wer denn im Ensemble der Schläfer der Fahrer war? Nun, ausdrücklich sagte es „Mister Abstiegskampf“ nicht. Aber alle Anwesenden wußten, wen er meinte, denn Rolf Schafstall meinte sich selbst. Und weil Bahnkapitäne nach allgemeiner Vorstellung eben standhafte Menschen sind, wird er, der Zugführer unter den Bundesliga-Trainern, der eher wie ein Nachtschaffner aussieht, sich also weiter versuchen im Aufwecken seiner Spieler beim Kampf hinter dem Mittelfeld der Tabelle. Thomas Lötz

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