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Stahlschmiede Krupp nimmt Hoesch in den Würgegriff

■ Essener Stahlkonzern hat Hoesch-Mehrheit auf seiner Seite/ Hoesch-Chef will bei Fusion abtreten

Aus Dortmund Walter Jakobs

Die endgültige Übernahme des Dortmunder Hoesch-Konzerns durch die Essener Krupp-GmbH scheint kaum noch aufhaltbar. Krupp, die selbst 24,9 Prozent des Grundkapitals von Hoesch hält, hat am Freitag über einen schweizerischen Notar den angekündigten Nachweis erbracht, daß eine Mehrheit von Hoesch-Aktionären die geplante Fusion unterstützt. Mit dem Aktienpaket von 30,4 Prozent, das sich in den Händen verschiedener Banken und institutioneller Anleger befinden, kann sich Krupp auch ohne die Westdeutsche Landesbank (West LB) auf eine 55prozentige Mehrheit stützen.

Der geheime Übernahme-Coup war von West-LB-Chef Friedel Neuber maßgeblich mit eingefädelt worden. Wegen der Proteste der Hoesch- Belegschaft kann der West-LB-Anteil von 12 Prozent derzeit jedoch nicht für das Krupp-Ziel eingesetzt werden. Eine Entscheidung gegen die Hoesch-Belegschaft wäre für die Düsseldorfer Landesregierung, die die West LB kontrolliert, kaum verkraftbar. Daß Krupp-Chef Gerhard Cromme auch ohne die West-LB- Anteile Hösch kontrollieren kann, schwächt die Position der weiter auf Unabhängigkeit setzenden „Hoeschianer“ erheblich. Mit der jetzt präsentierten Mehrheit kann Cromme die Stimmrechtsbeschränkung überwinden, die jedem Paketbesitzer unabhängig von seinem Aktienpaket maximal nur 15 Prozent der Stimmen auf der Hoesch-Hauptversammlung beschert.

Für die Fusion reicht die 55prozentige Mehrheit indes nicht. Dafür muß Krupp eine qualifizierte Mehrheit von 75 Prozent aufbieten können. In Dortmund kursieren seit Wochen Gerüchte über ein „Gegenpaket“, das sich dem Deal verperren will. Die Hoesch-Belegschaftsversammlung hatte die Düsseldorfer Landesregierung aufgefordert, die West LB solle ihr Hoesch-Paket auf 25 Prozent ausweiten und als Sperrminorität für Hoesch einsetzen.

Gelaufen ist die Fusion gewiß noch nicht. Der erst seit Anfang August amtierende Hoesch-Chef Kajo Neukirchen verkündete am Freitag auf der Hoesch-Aufsichtsratssitzung, daß er im Falle einer Krupp- Übernahme seinen Sessel zu räumen gedenke. Der Rohwedder-Nachfolger wörtlich: „Mit diesem Schritt unterstreiche ich meine unveränderte Position, engagiert für die Interessen von Hoesch einzutreten.“ Damit hat Neukirchen auch jene Betriebsräte im eigenen Konzern überzeugt, die in den letzten Tagen das mangelnde öffentliche Engagement der Hoesch- Chefetage für einen unabhängigen Kurs beklagt hatten. Mit der Rücktrittsdrohung sei Neukirchen „fast zum richtigen Hoeschianer geworden“, kommentierte Hoesch-Betriebsratsvorsitzender Werner Nass.

Hoesch: Strategie 2000

Einstimmig hielt der Hoesch-Aufsichtsrat weiter an seiner „Strategie 2000“ fest. Mit diesem Konzept seien weitreichende Investitionsentscheidungen ebenso verbunden, wie die Aufgabe von Beteiligungen, die nicht zu den Kerngeschäften von Hoesch gehören, hieß es am Freitag. Hoesch will sich damit „für den Markt von morgen fit“ machen, so Neukirchen, die „Strategie 2000“ sei für Hoesch wichtiger als je zuvor und die Basis für alle zukünftigen Entwicklungen. Das gelte auch für die Gespräche mit Krupp, die in der nächsten Woche fortgesetzt werden. Bis spätestens Mitte Februar 1992 soll eine Entscheidung fallen.

Nummer fünf in Europa

Genau einen Tag vor der Hoesch- Aufsichtsratssitzung war der vertrauliche Entwurf „Konzeption eines Zusammenschlusses Krupp- Hoesch“ aus dem Hause Krupp an die Öffentlichkeit gelangt. Das war gewiß kein Zufall, denn schon im Konflikt um Rheinhausen hatte sich Cromme als ein Meister von gezielten Propagandaaktionen erwiesen. Mit dem Hoesch-Vorstand sei vereinbart worden, so ließ Cromme im eigenen Haus verbreiten, dieser werde am 8. November seinen Aufsichtsrat über die Krupp-Pläne informieren — eine Darstellung, die in der Hoesch-Chefetage heftig bestritten wird.

Tatsächlich hat das Krupp-Konzept nach Informationen aus Teilnehmerkreisen auf der Aufsichtsratssitzung keine Rolle gespielt. In dem Krupp-Konzeptionspapier wird der „besondere Vorteil einer Fusion“ damit begründet, daß rund 70 Prozent des Umsatzes in eng benachbarten oder verwandten Geschäftsbereichen liegen. Eine Fusion führe in diesen Bereichen „schlagartig zu einer Verdoppelung der Umsatzvolumina“.

Bei einem Alleingang würde dies über Allianzen mit unterschiedlichen Partnern, „einen zeitlichen Prozeß von fünf bis zehn Jahren in Anspruch nehmen“. Krupp verspricht sich zudem „große Synergieeffekte“, etwa im Bereich der Fördertechnik von bis zu 50 Millionen Mark jährlich. Auch durch die Zusammenlegung von Verwaltungs- und Vertriebsaufgaben bietet sich ein hohes Rationalisierungspotential.

Der Fahrplan sieht vor, daß die Friedrich Krupp GmbH, die zu 74,9 Prozent der Krupp-Stiftung und zu 25,15 dem Iran gehört, noch in diesem Jahr eine Aktiengesellschaft gründet. In die neue Holding soll dann die Krupp GmbH im Frühjahr 1992 ihre industriellen Aktivitäten und Beteiligungen einbringen. Unmittelbar danach soll die Hoesch unter die Fittiche genommen werden. Etwa 60 Prozent des „Schmelzproduktes" werden nach den Vorstellungen aus der Essener Krupp-Zentrale an Krupp und der Rest von 40 Prozent an Hoesch gehen. Da Krupp aber ohnehin an Hoesch beteiligt ist, fällt der tatsächliche Krupp-Anteil weit höher aus — Krupp hätte somit in der neuen Holding allein und uneingeschränkt das Sagen.

Über die neue Konzernholding mit sieben eigenständigen Sparten will Krupp im internationalen Stahlmarkt weiter nach vorne rücken. Mit einer Rohstahlproduktion von jährlich rund acht Millionen Tonnen wird „Krupp (neu)“ Platz fünf in der europäischen Rangliste der Stahlkocher einnehmen. Als künftige Nummer 13 der Welt will man zu den Kostenvorteilen der größten Stahlproduzenten aufschließen. Ob es dann noch bei der Zusicherung bleibt, etwa die Standorte Bochum und Dortmund nicht zu gefährden, muß sich erst beweisen.

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