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Im Kirchenschiff war Platz

■ Ein kosmopolitanes Konzert gegen Ausländerfeindlichkeit im Bremer Dom

Der Anfang war den BesucherInnen hiesiger Paßfarbe vertraut: die Orgel setzt langsam ein, das Gemurmel im Kirchenschiff verstummt — der Dom wird vom feierlich-leisen Anfang des Kyrie aus Bruckners f-Moll-Messe erfüllt. Daß dieses Konzert am Sonntag abend anders weiterging, ist der Reaktion des Domkantors Wolfgang Helbich auf die Anschläge auf AusländerInnen in Bremen zu verdanken. „Nicht für, sondern mit Ausländern“ wollte er zusammen mit Dompastor Günther Abramzik und der Ausländerbeauftragten Dagmar Lill den Dom für fremde Musik und Menschen öffnen.

Im Mittelschiff spann das klassische persische Orchester „Barbat“ langsam ein fragiles Netz meditativer Sufi-Musik. Die Texte des vor 500 Jahren lebenden Dichters Hafez erzählen von Menschen, die Sehnsucht nach ihrer Heimat haben und Gott Dank versprechen, wenn er sie wieder zurückführt. Die Stimme des Sängers, sparsam und gefühlvoll von drei Frauen und drei Männern auf Geigen, lautenähnlichen Instrumenten und Trommel begleitet, füllte das riesige Gewölbe, als ob diese Musik für dieses Gebäude komponiert wäre. Der vertraute Innenraum wurde fremder, die Deckenbemalung über dem Chor erinnerte mehr und mehr an eine Moschee. „Barbat“ machte deutlich, wo die Ursprünge „unserer“ Baukunst und „unserer“ Instrumente liegen. Die anschließende Motette des Domchores „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird“ brachte die westliche Variation des Themas.

Wieder in der Mitte des Domes: ein türkisch-zypriotischer Sänger, neben ihm ein deutscher Gitarrist. Die türkischen Volkslieder klingen so schön und von so weit weg, bereichert durch die westlich-klassische Gitarre. Die melancholische, im letzten Lied zärtliche Interpretation durch M. Kuyucougullari und A. Lieberg (“Alla Turka — Alla Franga“) brauchte keine Übersetzung.

Viel vertrauter wirkten da die vier Stücke der chilenischen Gruppe Huellas. Die traditionellen Flöten umschmeichelten die hohen Rundbögen, die Trommel ließ die Füße mitwippen. Den musikalischen Abschluß bildete der Domchor (Wolfgang Baumgratz an der Orgel) unter Helbich mit dem schwermütigem Agnus Dei des Österreichers Bruckner. Unter den Solisten — Elke Holzmann (Sopran) und Petra Thiele (Alt) und Mehmet Kuyucougullari (Tenor) — sang erstmals der Japaner Takao Hoshino (Bariton).

Für alle, die deutsch verstanden, sprachen Dr. Dagmar Lill und Pastor Abramzik. Der Pastor geißelte in erfrischend klaren Worten das Versagen der Politik gegenüber den AusländerInnen. Leider gab es gerade für die im Dom keine Möglichkeit, sich über die Musik hinaus zu artikulieren: warum sollen nicht auch Deutsche mal ein paar Minuten lang nichts verstehen? Wilfried Wiemer

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