„Nicht die Mutigsten“

■ Betr.: „Lehrer haben zu wenig getan“, taz vom 26.10.91

Wie in der Politik, so liegt auch in der Schule meiner Ansicht nach die Gefahr nicht in jenen periphere Gruppen wie DVU und ähnliche, die nach der nächsten Wahl wieder für vier oder acht Jahre verschwunden sein werden, sondern in der Tatsache, daß man eine Gesamtentwicklung übersieht, die unbemerkt in eine autoritäre Gesellschaft hineinführt.

Bestimmt ist diese Entwicklung sowohl in der Politik, als auch in der Schule einerseits dadurch, daß die repressiven und autoritären Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft ignoriert werden und andererseits die Ideologie des Kapitalismus und des autoritären Parteienstaates unkritisch als Forderung unserer Verfassung hingenommen werden.

Wenn Ihr zum Beispiel die Schulbehörde vor den „lahmarschigen Lehrern“ in Schutz nehmt, dann muß man dem einmal entgegenhalten, daß der gesamten Bildungsbürokratie einschließlich der Bildungspolitiker offenbar jegliches Problembewußtsein fehlt und sie nur der reibungslose Ablauf des Schulbetriebs interessiert. Selbst der Bildungssenator quittiert grundlegende Kritik an seinen Schulen nur mit einem Satz wie „Schön, daß wir so engagierte Lehrer haben!“, ohne daß daraus erkennbare Konsequenzen gezogen würden.

Dabei sind auch unsere Lehrer offenbar nicht die mutigsten und kritischsten Mitglieder der Gesellschaft. Doch was erwartet man denn von Leuten, die nicht nur mit konservativen Schulaufsichtsbeamten, sondern auch mit konservativen Schulleitungen konfrontiert werden? Ludwig Schönenbach