: Eine Birne braucht soviel Schutz wie ein rohes Ei
■ Der Fahrrad-Kasten (4): Der Eierfall von AKTA beweist: Fahrradhelme sind Sturzdämpfer/ Kurze Haltbarkeit
Der schwedische Hersteller AKTA wirbt geschickt für sein Produkt, indem er einen maßstabsgerechten Helm für rohe Eier konstruierte, damit diese den Fall aus einem Meter Höhe auf den Ladentisch überstehen. Jener Eierfall von AKTA ist ein simples Experiment, der Sturz vom Rad sieht in der Praxis (auch des Arztes) jedoch um vieles komplizierter aus. Konstrukteure und Prüfinstitute gleichermaßen müssen ihre Phantasie spielen lassen und realistische Schlußfolgerungen daraus ziehen: Wo muß wie geschützt werden?
Ein guter Helm ist auf unseren Kopf hin abgestimmt: Das zu schützende Gut muß möglichst dicht von der stoßdämpfenden Schicht umgeben sein. Darüber liegt dann die harte, stichabweisende und stoßverteilende Schicht — der Rest ist Design und Klimatechnik. Die heute in über 80 Modellen von über 30 Herstellern präsentierte Helmvielfalt gliedert sich in drei Baugruppen, Hart-, Weich- und Mischmaterial-Schalen. In allen Gruppen gibt es brauchbare Exemplare, alle taugen was auf ihre Art. Weichschalen-Helme verzichten auf eine etwas schwerer ins Gewicht fallende Hartschale, bieten aber noch einen ausreichenden Schutz an scharfen Kanten. Diese Leichtgewichte haben für die Optik oft einen waschbaren Stoffüberzug. Die Hartschalen- Helme bieten den relativ besten Schutz gegen spitze und scharfkantige Unfall-Hindernisse. Die sogenannten Microshell-Helme bemühen sich um einen Kompromiß zwischen harter Schale und leichtem Gewicht. Sie haben hochfeste Folien über der Hartschaum-Schicht.
Rutscht der Kinnriemen? Ist er dünn? Stranguliert er? Läßt er sich schell eigenhändig öffnen? Schützt die Schale Schläfen-, Hinterohr- und Hinterhauptknochen? Hält der Helm einem zweiten Aufprall stand? Dies fragen die Prüfnormen, und wir sagen: hoffentlich! Die weitaus geringsten Anforderungen stellt die ANSI-Norm, die höchsten die SNELL-Norm, beide aus den USA. Europa will eine eigene Norm schaffen, bisher gibt es britische, Schweizer und schwedische Normen, die sich alle nicht widersprechen. Sie liegen im Bereich zwischen ANSI und SNELL. Die Angabe des Herstellungsdatums ist deshalb wichtig, weil Helme eine Lebenszeit von fünf bis acht Jahren haben und danach weggeworfen gehören. (Im eigenen Interesse sollte man das Herstellungsdatum selbst nachtragen: Kaufdatum minus sechs Monate.) Der Grund ist der Dreck in unserer Luft sowie die UV- und Wärmestrahlung. Falsche Behandlung mit »scharfen Reinigern« oder gar Lacken lassen sie rapide altern. Vermeintlich leichte Schläge auf den »leeren« Helm führen dort zu einer Sollbruchstelle, und das gute Stück muß ausgetauscht werden.
Das stimmt froh, wenn mancher Hersteller mit Zweijahres-Garantien wirbt, innerhalb derer die vorzeitig beschädigten Helme via Händler umgetauscht werden können. Dennoch sollte der Gang zum Fachgeschäft nicht ausbleiben. Denn mit den Helmen ist es wie mit Schuhen oder Brillen: Sie müssen auf Euren Hirnkasten passen wie maßgeschneidert und aussehen, wie es Euch gefällt. Und ob Ihr nun 60 oder 190 Mark ausgeben wollt, ist dann noch eine ganz andere Frage.
Für den Einstieg in eine Kaufberatung ist eine gute Paßform die entscheidende Frage und kann nur durch Probieren gelöst werden. Die andere wesentliche Frage, die der Unfall-Sicherheit, ist zu drei Vierteln beantwortet, wenn eines der Prüfzeichen am Helm zu finden ist. Das andere Viertel bestimmen die eigenen Schwerpunkte und das Detailwissen des Verkäufers. Ulle
Nächste Folge: Sicherheitsfahren ist kein Argument allein.
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