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Bewegende Farbfelder

■ Arbeiten des Amerikaners Kenneth Noland in der neuen Salander-O'Reilly Galleries

Die Berlin Kultur-Redaktion wird in den kommenden Wochen/Monaten einige neue Galerien vorstellen, die in ihrem Programm hauptsächlich konstruktive als konzeptionelle Kunst vertreten. Dabei kommen sowohl etablierte Galerien vor, als auch solche, die man gemeinhin »Off-Galerien« zu nennen pflegt.

Werke amerikanischer Künstler, noch dazu in einer beinahe retrospektiv angelegten Ausstellung, gibt es in den Berliner Galerien recht selten zu sehen. Um so erfreulicher ist die zweite Show der im September eröffneten Berlin-Dependance der Salander- O'Reilly-Galleries, die Arbeiten des 1924 geboren Farbfeldmalers Kenneth Noland zeigt. Präsentiert werden in angenehm großen Räumlichkeiten 17 Bilder und Wandobjekte, die in den Jahren 1958 bis 91 entstanden sind, wobei Stücke aus der neuesten Serie, die Flares, den Schwerpunkt bilden. Es waren vor allem diese Arbeiten von 1990 und 1991, die mich bei Betreten der Galerie zuerst interessierten und durch ihre Farbintensität und Form zu sich hinzogen. Oft an abgeschnittene Flammenzungen erinnernde Leinwandflächen, zu zwei- bis vierteiligen Ensembles angeordnet, stehen hier in einem bewegten Spiel zueinander.

Sie scheinen sich mal anzuziehen, dann wieder abzustoßen. Und selbst wenn sie sich vermeintlich treffen, oder anscheinend zu einer einzigen Grundfläche sich vereinen, berühren sie sich doch nie: Sie werden stets getrennt durch bunte Plexiglasstreifen. Diese haften an einigen Bildrändern wie Rahmenteile, und wechseln an Kontaktpunkten des öfteren von einer Leinwand auf die benachbarte über. Sie sind farbig gestaltete Leinwandteile — mal glatt-glänzend, mal uneben-matt — in spannungsreichen Wandobjekten zusammengebracht, die unbewußt die thematisierte Konzentration Nolands auf den Bildrand erahnen lassen.

Farben und dargestellte Formen so zu gestalten, daß sie im Bewußtsein der Betrachter eigene Kraftfelder zu entwickeln scheinen und sich sogar außerhalb beschränkter Leinwandflächen fortsetzen, war schon immer ein Anliegen Nolands. Die im Prinzip starren Bilder entwickeln durch seine Mal- und Gestaltungsweise eine Eigendynamik, die den Bilderrahmen überflüssig macht.

Luster von 1958 ist eine Art farbige Zielscheibe, an deren Rand sich die Kreise zu lösen beginnen, so, als ob sie durch ein die Scheibe umgebendes Magnetfeld angezogen werden. Der äußerste Kreis hat sich bereits abgeschält und den Bildrahmen teilweise verlassen — ohne dabei selbst von einer zusätzlichen, zu dem natürlichen Bildrand gemalten Eingrenzung an der oberen und unteren Gemäldekante aufgehalten zu werden. Zu stark scheint die imaginäre Kraft außerhalb der vorgestellten Darstellung zu sein.

Den Eindruck von dargestellter Bewegung auf Leinwand erhält man auch bei dem Werk Across (aus der Chevron-Serie) von 1964. Mehrere orange-rote Dreiecksspitzen schieben sich vom oberen Bildrand auf die Malfläche, wobei die Impression, sie würden stetig weiter nach unten drängen, überzeugend ist. Um den Weg von den Circles und den Chevrons in die 90er Jahre zu dokumentieren, gibt es noch vier weitere Exponate aus dem Zeitraum zwischen 1966 und 1977 zu sehen: exemplarische Einsichten in die Serien Shaped Canvases, Stripes und Diamonds.

Wer nach dieser kleinen Reise durch ein Kapitel der amerikanischen Malerei noch aufnahmefähig ist, sollte nicht versäumen, noch einige Bilder auf die Handvoll Zeichnungen Nolands zu werfen, obwohl sie offiziell nicht zur Ausstellung gehören.

Alles in allem läßt die Präsentation Kenneth Nolands hoffen, daß die Salander-O‘Reilly-Galleries den Berlinern noch viele Künstler aus ihrem Programm zeigen werden. Unserer Kunstlandschaft wird es guttun. Jens Pepper

Kenneth Noland: Malerei 1958-1991 , vom 2.11. bis 7.12. in der Salander-O'Reilly-Galleries, Kurfürstendamm 214, Tel.: 8854251, di.-fr. 10-18 Uhr, sa. 10-18 Uhr.

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