: Düstere Perspektiven für Künstler
■ Steigende Gewerbemieten vertreiben Künstler aus der Innenstadt/ Atelierbeauftragter Kotowski fordert öffentliche Förderung von Atelierräumen/ Beratungssprechstunden im Haus der BBK
Kreuzberg. Für Künstler wird Berlin immer unerschwinglicher. Die ständig steigenden Gewerbemieten führen schon jetzt zur Aufgabe zahlreicher Atelierräume. Wird dem nicht bald durch den Senat entgegenwirkt, werden in zwei bis drei Jahren die Künstler weitgehend aus der Innenstadt vertrieben sein. So lautet das Fazit, das gestern der Atelierbauftragte beim »Kulturwerk des Berufsverbandes Bildender Künstler« (BBK), Bernhard Kotowski, zog. Seit seinem Amtsantritt Anfang Oktober sind bei ihm 70 dringende Bedarfsammlungen von Künstlern für Ateliers eingegangen. Davon seien allein 20 ausdrücklich mit Kündigung oder kündigungsgleichen Mieterhöhungen begründet. Bis zum Jahresende rechnet er mit rund 300 Kündigungen von Atelierräumen.
Kotowski, dessen Arbeit finanziell vom Kultursenator unterstützt wird, forderte für Berlin öffentlich geförderte Atelierräume, die als »Pufferzone zwischen Markt und Künstler« dienten. Ein Grundstock an Ateliers könnte aus den landeseigenen Gewerberäumen im Westen und durch die Wohnungsbaugesellschaften im Osten hergestellt werden. Derzeit beobachtet Kotowski jedoch das Gegenteil: Sowohl Land, Bund wie zahlreiche östliche Wohnungsbaugesellschaften gehen mit ihren eigenen Gewerbemieten an die Spitze. Neben der Erhaltung von bereits bestehenden Ateliers verlangte Kotowski auf politischer Ebene ein »offensives Vorgehen«. So müßten gerade bei Neuinvestitionen kulturelle Belange berücksichtigt werden. Er regte an, daß Investoren eine Belegungsbindung akzeptierten und Obergeschosse für Ateliers freihielten. Einfluß könnte überall dort genommen werden, wo das Land oder die Treuhand Verkäufe tätige.
Als ersten Schritt zur Selbsthilfe werden der BBK und der »Berliner Mieterverein« regelmäßige Einzelberatungen für Künstler durchführen, die von Kündigungen oder Mieterhöhungen betroffen sind. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, nannte die rechtliche Situation bei Gewerberaummieten »katastrophal«. So gebe es — im Gegensatz zu Wohnraummieten — kaum mieterschützende Vorschriften. Daher komme auf die Rechtsberatung im Einzelfall besondere Bedeutung zu, um den Verhandlungsspielraum voll auszunutzen. Der Vorsitzende des BBK, Herbert Mondry, forderte insbesondere die Ostberliner Künstler auf, die Beratung in Anspruch zu nehmen. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen