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KOMMENTAREHomöopathische Therapie

■ Kopf hoch, Herta, und probieren Sie es einfach immer wieder, das stählt

Liebe Herta, von wegen bevorzugte Einstellung von Frauen bei gleicher Qualifikation. Aber mal ehrlich: Hatten Sie tatsächlich an einen Sieg geglaubt? Na also. Die Quote ist eben kein Antibiotikum, sondern eine homöopathische Therapie: je kleiner die Dosis, desto höher die langfristige Wirkung — frau muß nur recht fest daran glauben. Das tun Sie doch auch weiterhin, oder? Sie werden sich doch nicht etwa mit dem Gedanken tragen, jetzt all Ihre Posten in der zweiten Reihe hinzuschmeißen? Als Signal für die Absurdität des Gleichheits-Spiels? Das könnte ja Schule machen, da könnten dann auch andere einfach aussteigen. Aber nach Ihrem anstrengenden Aufstieg werden Sie, so kurz unterm lockenden Gipfel, wohl doch nicht schlappmachen. Der Höhenrausch, ich weiß. Also Kopf hoch, probieren Sie es einfach immer wieder — das stählt. Was machen nach zweihundert Jahren Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit noch ein paar Jährchen mehr schon aus. Auch Otto Graf Lambsdorff hat neulich richtig erkannt, daß „diese Problematik“ (er meinte die Quote) „nicht plötzlich dringlich“ geworden ist, und vertröstete seine überraschend aufmüpfigen Liberalen- Frauen auf den nächsten Bundesparteitag. Dort dürfen sie dann ihre Forderung nach mindestens dreißig Prozent aller Parteiämter stellen.

Sie und Ihre sozialdemokratischen Genossinnen haben das längst hinter sich. Mit Ihrer Vierzig- Prozent-Quote im Parteistatut stehen Sie mit an der Spitze der parlamentarischen Bewegung. Und bekanntlich ist die Bewegung (fast) alles, das Ziel hingegen nichts. An was sollte sich die Frauenpolitik auch abarbeiten, wenn das mit der Quote auf einmal so funktionieren würde, wie es auf dem Papier steht?

Markieren Sie also nicht die Spielverderberin, machen Sie gute Miene, lächeln Sie! Na bitte, das steht Ihnen. Sie sollten das viel öfter tun. Denn ein wenig haben Sie die Sache auch selbst verpatzt. Wie soll ich Ihnen das erklären ... also, mal so von Frau zu Frau gesprochen: mit ein bißchen mehr Zurückhaltung und Bescheidenheit, mit ein bißchen weniger Hartnäckigkeit, kurz: mit ein bißchen mehr Weiblichkeit wären Sie vielleicht schon oben. Klar, Ihre Fachkompetenz und Intelligenz, Ihr Machtstreben, Ihre Disziplin, Ihre Neigung zu Oberlehrerinnenhaftigkeit und Parteiräson hätten Sie für einen Fraktionsvorsitzenden dieser SPD ausreichend qualifiziert. Aber all diese an Männern geschätzten Tugenden reichen für eine Fraktionsvorsitzende nicht nur nicht aus — sie törnen viele Genossen ab. Die finden Sie echt zickig. Da können Sie mit ihrem Doppelnamen, den hohen Absätzen, den adretten Kostümen, dem ordentlich ondulierten Kopf noch so viel Bereitschaft zu weiblicher Anpassung signalisieren. Ihnen fehlt einfach das gewisse Etwas, glauben Sie mir. Und das ist der kleine Unterschied — bei gleicher Qualifikation. Ulrike Helwerth

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