Greifswalder Flüchtlinge müssen zurück

Die schleswig-holsteinische Landesregierung will die Asylsuchenden, die nach mehrwöchiger Irrfahrt in einer Norderstedter Kirche Zuflucht fanden, wieder in ostdeutsche Unterkünfte bringen lassen  ■ Von Jürgen Oetting

Norderstedt (taz) — Am Donnerstag wird die schleswig-holsteinische Landesregierung zwei Busse vor der Norderstedter Shalom-Kirche bereitstellen, um die Asylbewerber nach Greifswald zu bringen, die dort Zuflucht gesucht haben. Das teilte der Staatssekretär des Kieler Sozialministeriums, Claus Möller, den Flüchtlingen gestern vor Ort mit.

Die blieben bei ihrer ablehnenden Haltung. Sie wollen nicht zurück nach Greifswald, wo sie am vorletzten Wochenende von mehreren hundert Hooligans auf übelste Weise überfallen worden waren. Sie wollen auch auf keinen Fall an einem anderen Ort in Ostdeutschland untergebracht werden. Das aber könnte ihnen blühen.

Nach Möllers Worten steht die Greifswalder Unterkunft nur noch bis Freitag zur Verfügung. Danach bliebe für die Kirchenbesetzer nur noch die Verteilung über verschiedene ostdeutsche Unterkünfte. Inzwischen hätten 14 mecklenburgische Städte ihre Bereitschaft bekundet, Gruppenmitglieder aufzunehmen. Somit ist die etwa fünfzigköpfige Gruppe wieder genau an dem Punkt angekommen, wo ihre Odyssee vor acht Wochen begann: Vor zwei Monaten besetzten 86 Asylbewerber die Anschar-Kirche in Neumünster, weil sie nicht über Ost-Unterkünfte verteilt werden wollten. Nach sechs Wochen wurde zähneknirschend ein kirchliches Angebot angenommen: Die inzwischen zusammengeschrumpfte Gruppe zog gemeinsam nach Greifswald. Nach den rechtsradikalen Übergriffen holten UnterstützerInnen die Flüchtlinge zurück nach Schleswig-Holstein, wo diese in der Shalom-Kirche im Hamburger Vorort Norderstedt Zuflucht fanden. Inzwischen ist die Gruppe noch kleiner geworden. Einige der Asylbewerber sind „unbekannt verzogen“.

Die verbliebene Gruppe könnte, geht sie nicht nach Greifswald, für einige Zeit in Schleswig-Holstein bleiben, meint Möller, bis zur Bereitstellung diverser ostdeutscher Unterkünfte. Doch die Sache hat einen Haken. Auch im nördlichsten Bundesland würden die Flüchtlinge verstreut untergebracht. Es wäre später ein leichtes, die Familien und Kleingruppen gen Osten zu verfrachten. Die Asylbewerber wollen in der Gruppe zusammenbleiben, nur so fühlen sie sich sicher gegen rassistische Übergriffe und administrative Maßnahmen aus dem Sozialministerium des einstigen politischen Hoffnungsträgers Günther Jansen (SPD).

Der beharrt seit acht Wochen auf dem Verwaltungsstandpunkt und zieht inzwischen mit dem mecklenburgisch-vorpommerschen Innenminister Georg Diederich (CDU) an einem Strang. Beide betonten vorgestern nach einen Treffen unisono, die Flüchtlinge dürften in keinem Fall dauerhaft in Schleswig-Holstein bleiben. Daraufhin zeigte sich der Norderstedter Shalom-Kirche-Vorstand am späten Montag abend enttäuscht. Man hatte den Flüchtlingen Unterschlupf gewährt, bis die verantwortlichen Politiker zu einer menschenwürdigen Lösung kommen.

Pastorin Anke Dittmann diagnostizierte bei Jansen und Diederich mangelnde Lernbereitschaft. Ein Kompromiß wäre „souveräner Ausdruck einer Politik mit menschlichem Antlitz“ gewesen.

Die Landesvorstandssprecherin der Grünen, Irene Fröhlich, mahnte die Politiker, die sich rechtsradikaler Gewalt nicht beugen möchten und dafür den Rücken der Asylbewerber hinhalten: „Bei den Flüchtlingen handelt es sich um Menschen und nicht um Versuchskaninchen.“

Die Generalstaatsanwälte der neuen Bundesländer haben inzwischen beschlossen, gewalttätige Ausschreitungen von Rechtsextremisten gegen Ausländer schlagkräftiger zu verfolgen. Bei einer Tagung in Magdeburg setzten sie sich auch für eine intensivere Zusammenarbeit mit der Polizei ein.

Wie der Generalstaatsanwalt Thüringens, Thomas Hutt, mitteilte, wollen sich die Ankläger in allen neuen Ländern dafür stark machen, daß nach schweren Ausschreitungen Hinweise zur Ergreifung der Täter mit hohen Geldbeträgen belohnt werden, wie dies für Thüringen bereits angeordnet worden ist.