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Bonner Beamte sind sich zu fein für den Osten

■ Bausenator Nagel stellte die Wohnungsbaupotentiale für Bonner Zuzügler vor/ Senat möchte »lebendige soziale Mischung«

Berlin. Nach Berlin zu ziehen, ist schon schlimm genug — die Bonner wollen aber wenigstens nicht im Osten wohnen. Nach den Vorstellungen des Staatssekretärs im Innenministerium, Kroppenstedt, sollen die für die Bonner Beamten und Abgeordneten notwendigen Wohnungen nur im Westteil Berlins liegen, berichtete Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) gestern vor der Presse. »Offenbar ist man sich in Bonn zu schade, in Ost-Berlin zu leben«, meinte Nagel, der die Wohnungsbaupotentiale für die zuziehenden Bonner vorstellte.

Der Bund braucht nach eigenem Bekunden 14.000 Wohnungen in Berlin für Beamte, dazu noch einige tausend Wohnungen für Abgeordnete und deren Mitarbeiter. Man habe Bonn aber bereits Flächen für 36.000 bis 50.000 Wohnungen benannt, sagte Nagel. Man wolle keine »Regierungsgettos«, deshalb sollten Bonner und Berliner dort in einer »lebendigen sozialen Mischung miteinander leben«.

Zu den von der Senatsbauverwaltung vorgeschlagenen Wohnungsbauflächen gehört etwa Karow in Weißensee mit 9.000 möglichen Wohnungen, die Gartenstadt Falkenberg in Treptow, Müggelheim bei Köpenick, Buchholz bei Pankow, Blankenburg oder Lichterfelde Süd. Auch die Staakener Felder sollen nun doch bebaut werden. In der Innenstadt stünden das Moabiter Werder, das Klingelhöferdreieck, das Tiergartener Diplomatenviertel und Flächen an der Reinhardt- an der Stallschreiber-, an der Oberwall- und an der Bernauer Straße zur Verfügung. Am Potsdamer Platz soll nach Senatswunsch ein Anteil von 30 Prozent Wohnungen gebaut werden.

In Bonn, so Nagel weiter, wüßte man nicht, was man wolle und blockiere so den Wohnungsbau. So hätten Bonner Beamte geäußert, der geplante Baubeginn der 600 Wohnungen auf dem Moabiter Werder im Frühjahr 1992 sei »viel zu früh«, man würde das Gelände gerne kaufen, um selber das Tempo zu bestimmen. »Wenn wir das zuließen, wäre dies ein Skandal gegenüber den wohnungssuchenden Berlinern«, sagte Nagel. Außerdem ließe Bonn seit geraumer Zeit bis zu 1.000 ehemalige Diplomatenwohnungen in Pankow leerstehen. »Eigentlich müßten wir denen Bußgeldbescheide schicken», sagte Nagel. Außerdem würden ab 1995 auch die 6.300 Wohnungen der Alliierten leerstehen.

Man wisse noch nicht einmal, welche Wohnungen die Bonner wünschten, abgesehen von einem »allgemeinen Wunsch nach einem breiten Angebot von Eigenheimen«. Es sei auch nicht klar, wer mit welchen Finanzierungsmodellen die Wohnungen bauen soll. »Bonn wollte nicht einmal, daß wir eine Umfrage machen, um die Wohnungswünsche dort zu erkunden«, sagte Nagel. Um der Bonner Entscheidungsfreudigkeit nachzuhelfen, will Nagel heute zusammen mit Stadtentwicklungskollegen Volker Hassemer die Wohnungsbaupotentiale in der Ex-Hauptstadt vorstellen. esch

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